Es gab in den letzten Jahren immer wieder Diskussionen um automatisierte Bewerbungsverfahren, um Algorithmen und künstliche Intelligenz, die vielleicht besser darüber entscheiden können, wer für welchen Job geeignet ist – und die sich nicht durch die falsche Endung eines Namens beeinflussen lassen. Aber mal ehrlich: Wünschen wir uns nicht alle im Bewerbungsverfahren Menschen als Gegenüber, die im persönlichen Gespräch unsere Fähigkeiten und unsere Motivation prüfen?
Es gibt da allerdings eine (gar nicht mal so kleine) Gruppe von Menschen, die das auf keinen Fall unterschreiben würden. Die grossteils arbeitslos sind, und das nicht unbedingt wegen fehlender Fähigkeiten. Sondern weil die Betroffenen genau dann am schlechtesten aussehen, wenn es zu «menscheln» beginnt. «Wenn Sie den besten Programmierer der Schweiz finden wollen, dann sollten Sie auf keinen Fall Bewerbungsgespräche führen», sagt Markus Weber von Auticon. «Sie sollten einen Test ausschreiben, eine Aufgabe, die man auch um drei Uhr nachts am Computer lösen kann.»
Autismus betrifft ungefähr ein Prozent der Bevölkerung. Es ist eine rätselhafte Krankheit, die nach neuestem medizinischem Wissen als Autismus-Spektrum-Störung (ASS) gefasst wird und auch Asperger beinhaltet. Die kognitiven Fähigkeiten von Menschen mit einer Autismus-Diagnose sind sehr verschieden. Wer zu den überdurchschnittlich Intelligenten gehört, versteckt seine Fähigkeiten nicht selten, etwa durch Sprachverweigerung oder generellen sozialen Rückzug. Ihre intellektuellen Superfähigkeiten können sie aber zu überdurchschnittlich begabten Fachleuten machen. In der IT-Branche etwa.
Auticon ist eine der IT-Firmen, die gezielt ASS-Betroffene rekrutieren. Die profitorientierte Aktiengesellschaft hat ihren Hauptsitz in Deutschland und ist vor Kurzem in die Schweiz expandiert. Auticon-Schweiz-Chef Markus Weber sagt, 80 Prozent der ASS-Betroffenen hierzulande seien auf Arbeitssuche oder komplett überqualifiziert in ihrem derzeitigen Job – für viele von ihnen sieht er beste Chancen im Arbeitsmarkt. «Einer unserer Mitarbeiter hat vorher in einer geschützten Werkstatt gearbeitet, nun hat er einen anspruchsvollen Job in der IT.» Auticon hat sich nicht umsonst auf den Bereich IT spezialisiert, denn Autisten sind bei Aufgaben ganz besonders ausdauernd und genau, die «normal» funktionierende Menschen als stumpfsinnig und ermüdend empfinden. Routineaufgaben, «langweilige», repetitive Tasks: einen langen, verschachtelten Code überprüfen und vereinfachen, komplexe Zahlen und Zusammenhänge analysieren.