1801
19.09.2018 von Katharina Wehrli

«Ich bringe die Perspektive der Gesamtbank ein»

Seit 2017 leitet Anna-Valentina Cenariu bei der Alternativen Bank Schweiz die Fachstelle Nachhaltigkeit. Sie erklärt, warum auch eine sozialökologische Bank wie die ABS eine Nachhaltigkeitsstelle braucht und worin ihre tägliche Arbeit besteht.


Beitrag der ABS
Artikel in Thema Porträts
Anna-Valentina Cenariu leitet die Fachstelle Nachhaltigkeit bei der Alternativen Bank Schweiz.
moneta: Anna-Valentina Cenariu, was sind Ihre Aufgaben als Leiterin der Fachstelle Nachhaltigkeit?
Anna-Valentina Cenariu: Als ich vor eineinhalb Jahren anfing, führte ich mit allen Abteilungen Interviews und prüfte sämtliche Statuten und Reglemente. Ich fragte: Wofür steht die ABS, wo möchten wir hin – und was tun wir wirklich? Abgeleitet von dieser Analyse, habe ich ein Strategiepapier entwickelt, das Nachhaltigkeitsziele und -massnahmen definiert. Jetzt setze ich diese Massnahmen zusammen mit den Abteilungen um.
Zu meinen Aufgaben gehört, dafür zu sorgen, dass wir konsistent handeln und ein einheitliches Verständnis davon haben, was Nachhaltigkeit für uns bedeutet. Die Grundsätze sind ja in den Anlage- und Kreditrichtlinien definiert, jetzt geht es darum, sie für die tägliche Arbeit herunterzubrechen. Ich schaue, welche Arbeitshilfen die Mitarbeitenden brauchen, und kreiere Leitlinien für das tägliche Handeln. Bei den Krediten etwa muss nachvollziehbar sein, warum wir gewisse Unternehmen finanzieren und andere nicht. Langjährige Mitarbeitende wissen viel darüber, aber neue Mitarbeitende brauchen Orientierungshilfen. Meine Aufgabe ist, Prozesse zu definieren und dadurch mehr Transparenz und Klarheit zu schaffen.

Wo liegen spezielle Herausforderungen?
Eine Herausforderung ist, dass Mitarbeitende oder Führungspersonen manchmal in ihrem Bereich etwas umsetzen, aber zu fragen vergessen, was es für die gesamte Bank heisst. Wenn wir etwa in der Unternehmensanalyse Firmen ausschliessen, da wir sie als nicht nachhaltig definieren, können wir bei ihnen auch keine Waren oder Dienstleistungen mehr beziehen. Deshalb muss ich immer die Perspektive der Gesamtbank einbringen.

Bieten Sie auch Schulungen an?
Ja. Das erste Schulungsmodul für neue Mitarbeitende hat zum Thema «Nachhaltigkeit bei der ABS» – zuerst ganz grundsätzlich: Woher kommt Nachhaltigkeit? Wie hat sich das Thema in den letzten fünfzig Jahren entwickelt? Dann gezielt: Was heisst das für die ABS? Zudem biete ich die Veranstaltungsreihe «Nachhaltigkeit am Mittag» an, in der ich Mitarbeitende über das Bankgeschäft hinaus sensibilisiere, beispielsweise aufzeige, was man als Konsumentin oder Konsument tun kann. Ich habe mir auch vorgenommen, alle drei Monate einen Nachhaltigkeitstipp per E-Mail zu verschicken, etwa zur Frage: Wie kann ich weniger Plastik verbrauchen?

Sie haben die neue Nachhaltigkeitsstrategie der ABS erwähnt. Was sieht diese für die kommenden Jahre vor?
Die Strategie deckt jene Bereiche ab, in denen wir punkto Nachhaltigkeit die grösste Wirkung haben: An erster Stelle das Kreditgeschäft, dann das Anlagegeschäft und unsere eigenen Finanzanlagen, drittens, wie wir mit unseren Mitarbeitenden umgehen, viertens unser Einsatz für die Gesellschaft, und an fünfter Stelle die Betriebsökologie. Zudem umfasst die Strategie übergreifende Themen: Wie vermitteln und managen wir das Thema Nachhaltigkeit? Wie können wir unsere nachhaltige Wirkung messen? Im Ergebnis haben wir rund 25 Massnahmen definiert, die in den kommenden drei Jahren umgesetzt werden sollen. Nachzulesen sind sie im neuen Nachhaltigkeitsbericht (siehe Textbox). Ab 2019 werden wir jährlich im Nachhaltigkeitsbericht Rechenschaft ablegen, wo wir mit der Umsetzung stehen.

Gibt es Massnahmen, die bereits umgesetzt werden?
Ja. In der Unternehmenskultur wollen wir das betriebliche Gesundheitsmanagement sowie die Personal- und Führungsentwicklung intensivieren. Auf der Kreditseite aktualisieren wir unser Immobilienrating. Unser bestehendes Rating ist zehn bis fünfzehn Jahre alt, die gesetzlichen Vorgaben wurden inzwischen verschärft. Deshalb haben wir entschieden, es zu aktualisieren und wieder visionärer zu gestalten.

Gibt es weitere Massnahmen, die Sie als besonders wichtig erachten?
Die ABS hat in den Statuten festgehalten, dass sie die Gesellschaft für Themen wie Wirtschaft, Geldsystem oder Nachhaltigkeit sensibilisieren will. Mit der moneta und den Geldgesprächen machen wir das schon gut, aber es ist zu wenig. Beide Vehikel sprechen vor allem unsere Kundinnen und Kunden an. Gemäss Statuten müssen wir aber die Gesellschaft über unseren Kundenkreis hinaus sensibilisieren. Deshalb wollen wir die Öffentlichkeitsarbeit ausweiten. Dabei geht es nicht darum, neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen, sondern um Öffentlichkeitsarbeit, losgelöst vom Geschäftserfolg.
Eine weitere Massnahme betrifft die Frage, wie wir unsere Wirkung messen können. Ich arbeite in einer Gruppe der Global Alliance for Banking on Values mit, in der wir ein Grundmodell entwickeln, um die Wirkung von sozialökologischen Banken zu messen. Bis jetzt messen wir ja erst, wohin das Geld fliesst – wie viel in die Förderbereiche –, nicht aber die nachhaltige Wirkung des Geldes.

Wie lässt sich denn die soziale oder die ökologische Wirkung messen?
Wir stehen selbst noch am Anfang mit diesem Projekt. Vergleichsweise einfach zu messen ist beispielsweise, wie viele Kilowattstunden erneuerbare Energien oder wie viele Quadratmeter genossenschaftlichen Wohnraum wir finanziert haben. Solche Zahlen kann man sammeln. Schwierig wird es, wenn man die Wirkung im Kulturbereich messen will. Das hat seine Grenzen. Das ist auch richtig so, denn sonst fängt man an, nur noch zu messen, statt zu wirken.

Seit drei Monaten hat die ABS einen neuen Nachhaltigkeitsausschuss. Was ist seine Aufgabe?
Der Ausschuss steht mir zur Seite als unterstützendes und kontrollierendes Gremium. Es gab diesen Ausschuss ja schon länger, bis anhin bestand er aber aus der Geschäftsleitung. Ich habe initiiert, dass wir ihn neu zusammenstellen. Nun sind Mitarbeitende aus allen Standorten und Abteilungen vertreten. Das Gremium schaut Nachhaltigkeitsthemen abteilungsübergreifend an, etwa wenn wir neue Produkte entwickeln, oder es prüft Grundlagendokumente, die ich erarbeite, wie den neuen Beschaffungsleitfaden. Seine Hauptaufgabe ist daher, die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie zu begleiten und bei einem allfälligen ethischen Dilemma Empfehlungen an die Geschäftsleitung abzugeben.

Sie haben fast Ihr ganzes bisheriges Berufsleben der Förderung von Nachhaltigkeit gewidmet. Was motiviert Sie, sich Tag für Tag dafür einzusetzen?
Mich motiviert, dass ich selber einen Beitrag leisten kann, damit die Umwelt sich verbessert und die Gesellschaft sich weiterentwickelt. Eigentlich habe ich zwei Auftraggeber: einerseits die ABS als eigentliche Arbeitgeberin, andererseits handle ich im Auftrag der Gesellschaft und der Umwelt. Es ist wie eine zweiseitige innere Verpflichtung: Es geht ja darum, dass die ABS sich so weiterentwickelt, dass sie noch mehr für die Umwelt und die Gesellschaft tun kann, auch wenn das nicht immer einfach ist. Denn zu sagen, dass man nachhaltig sein möchte, ist das eine, konsequent danach zu handeln, das andere. Es ist menschlich, Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Da ist es meine Aufgabe, darauf zu beharren und zu sagen: Wir schreiben das in unseren Statuten, also müssen wir es auch tun, ob angenehm oder nicht.

Nachhaltigkeit bei der ABS

92 von 100 Punkten

Auch für das Berichtsjahr 2017 erhält die ABS für ihre Nachhaltigkeitsleistung Bestnoten. Das zeigt der neue Nachhaltigkeitsbericht der Bank. Die ABS erzielt auf der «Sustainable Banking Scorecard» 92 von 100 Punkten. Die Scorecard ist eine von der Global Alliance for Banking on Values entwickelte Bewertungsmethode für nachhaltiges Banking. Die Scorecard und die Kennzahlen zur betrieblichen Nachhaltigkeit zeigen aber auch, wo für die ABS noch Luft nach oben vorhanden ist.

Im Nachhaltigkeitsbericht zeigt die Bank jedes Jahr auf, wie sie sich für die Gesellschaft und die Umwelt einsetzt. Zudem legt sie Rechenschaft darüber ab, wie gut sie ihre eigenen Ansprüche punkto Nachhaltigkeit erfüllt.
Artikel ausdrucken
Verwandte Artikel

Ein Netzwerk für den globalen Wandel

Die Global Alliance for Banking on Values ist ein unabhängiges Netzwerk von Banken, das soziale, ökologische und kulturelle Projekte fördert. Seit ihrer Gründung 2009 ist die Allianz rasch gewachsen, inzwischen gehören 43 Banken aus allen Kontinenten dazu. Gemeinsam setzen sie sich für eine Erneuerung des Finanzsystems ein.
01.12.2017 von Barbara Bohr

Was die ABS anders macht

Die ABS will mit ihrer Tätigkeit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten. Damit dies gelingt, braucht sie klare Kriterien, welche Projekte und Unternehmen förderungswürdig sind und welche nicht. In «Grundsätzen der Anlage- und Kreditpolitik» definiert die ABS Förderbereiche und Ausschlusskriterien, die als Grundlage für die gesamte Geschäftstätigkeit dienen
06.06.2017 von Sarah Eggo

Lernen, was social banking ausmacht

66 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 16 Ländern nahmen im Sommer 2017 an der 10. International Summer School teil. Im kleinen Fischerdörfchen Kinsale in Irland wurde eine Woche diskutiert und gelernt, was es bedeutet, Social Bankerin oder Social Banker zu sein.
01.12.2017 von Sarah Eggo

Mit Transparenz zu Gleichheit

Lohntransparenz soll zu mehr Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern führen. Funktioniert das tatsächlich? Antworten gibt das Beispiel der Alternativen Bank Schweiz.
05.12.2017 von Simon Rindlisbacher