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15.03.2017 von Michael Gasser

Nordwestschweiz statt Neuseeland

Seit bald dreissig Jahren betreiben Andreas und Rina Ineichen den Bruderholzhof oberhalb von Therwil BL. Nach wie vor ist es den beiden ein grosses Anliegen, die Biodiversität zu fördern. Nicht von ungefähr, denn der Betrieb mit eigenem Hofladen ist im Inventar der Naturdenkmäler des Kantons Baselland verzeichnet.


Beitrag der ABS
Artikel in Thema Porträts

Die Ferkel springen freudig über ihr Terrain, obschon sich einige von ihnen am Vortag einen Sonnenbrand geholt haben. Die dreissig zugekauften Masttiere sind erst seit wenigen Tagen auf dem Bruderholzhof im Baselbiet und erkunden neugierig die neue Umgebung. Dementsprechend verspürt auch kaum eines Lust, länger unter dem schützenden Dach ihres offenen Quartiers zu verweilen. Noch bis zum Herbst dürfen die Paarhufer ihr Dasein geniessen – dann werden sie geschlachtet. Anschliessend wird ihr Biofleisch direkt ab Hof verkauft, in Form von gut zehn Kilo schweren Mischpaketen. Auf dem Bruderholzhof wird schon seit 1974 biologische Landwirtschaft betrieben. Der Hof am Rande von Basel-Stadt ist auch die Geburtsstätte des Forschungsinstituts für biologischen Landbau, kurz FiBL, das mittlerweile im aargauischen Frick beheimatet ist. Als das Institut umzog, beschloss die damalige Besitzerin des Bruderholzhofs, diesen von Angestellten führen zu lassen. Das funktionierte allerdings eher schlecht als recht, weshalb der Hof nach zehn Jahren zur Pacht ausgeschrieben wurde. Das war 1988 – zu dieser Zeit hielten sich Andreas und Rina Ineichen in Neuseeland auf. Um Ferien zu machen, aber auch, um sich nach einem geeigneten Hof für die damals junge Familie umzuschauen. «Wir standen kurz davor, in Richtung südlicher Pazifik auszuwandern», erinnert sich Rina Ineichen. «Doch dann hörten meine Schwiegereltern, die selbst Bauern sind, dass der Bruderholzhof zu pachten sei.» Also kehrten die beiden wieder in die Schweiz zurück, wo sie sich für den Betrieb bewarben – und den Zuschlag erhielten.

Rohmilchquark aus eigener Produktion

Der studierte Agronom und die gelernte Primarlehrerin warfen dabei gleich 59 Mitbewerber aus dem Rennen. «Als wir den Hof übernahmen, bauten wir den Stall und begannen damit, unsere Kühe nicht mehr ganzjährig zu melken. Was zur Folge hat, dass sie nun während mehr als zwei Monaten pro Jahr auch keine Milch mehr geben», erklärt Andreas Ineichen. «Das ist besser für die Gesundheit der Tiere, da es ihrem ursprünglichen biologischen Rhythmus entspricht.» Völlig umgekrempelt hätten sie den Bruderholzhof jedoch nicht, betont das Paar, das seit bald 40 Jahren zusammen ist. «Vom ersten Tag an begannen wir damit, einen Selbstbedienungsladen mit Produkten unseres Hofes zu betreiben», so Rina Ineichen. «Damals gab es in ganz Basel nur wenige Bioläden.» Heute präsentiert sich der Hofladen mit bunt bemalter Decke, Kühlschränken sowie einem münzbetriebenen Rohmilchautomaten. Das Sortiment, das nebst Holzofenbrot auch diverse Mehlsorten, Rohmilchquark, Molke, Quittengelee sowie im Sommer Glace umfasst, ist zwar überschaubar geblieben, aber bei der Kundschaft ausgesprochen beliebt. Derart beliebt, dass der Most aus der letzten Apfelernte bereits seit April ausverkauft ist. Wenn die beiden die vergangenen knapp drei Jahrzehnte auf dem Bruderholzhof Revue passieren lassen, dann macht sie eines ganz besonders stolz: «Es hat sich bestätigt, dass es sich in jeder Hinsicht lohnt, den Hof biologisch zu bewirtschaften», erklärt Andreas Ineichen. Es sei auch schön, immer wieder feststellen zu dürfen, wie sehr der Familienbetrieb von der Öffentlichkeit geschätzt werde. «Für viele ist der Bruderholzhof eine Oase », ergänzt Rina Ineichen. In der Tat: Wer von der Baselbieter Gemeinde Oberwil, auf deren Grund der Hof liegt, zu diesem hochspaziert, kommt an sich lichtenden Häuserzeilen vorbei – bis man ganz plötzlich von idyllischer Natur und zwitschernden Vögeln umgeben ist. Obschon der Weg zum Bruderholzhof gut ausgeschildert ist, müssen Uneingeweihte darauf achten, nicht die in einem kleinen Waldstück versteckte Abzweigung zu verpassen.

Biodiversität bedeutet Aufwand

Den Ineichens ist es ein grosses Anliegen, die Biodiversität ihres Landes zu fördern, denn ihr Hof ist im Inventar der Naturdenkmäler des Kantons Baselland verzeichnet. Auf und unter dem Dach der Familie brüten Turmfalken und Schwalben. «Nur die Schleiereule, die sich früher ebenfalls dort einnistete, ist nicht mehr da. Aber wer weiss, vielleicht kommt sie wieder», hofft Andreas Ineichen. Biodiversität bedeute für ihn nicht zuletzt mehr Aufwand. «Wo andere Landwirte mit drei bis vier Kulturen auskommen, haben wir zehn. Nebst Weizen und Roggen etwa auch Dinkel, Soja, Erbsen oder Kartoffeln. Selbstverständlich unter der Beachtung der Fruchtfolge.» Vor 30 Jahren noch habe die Allgemeinheit das biologische Bewirtschaften eines Hofes als exotisch erachtet, sagt der 59-Jährige. «Das hat sich geändert.» Gleichwohl bewirtschaften alle anderen Landwirte der näheren Umgebung ihre Höfe nach wie vor mit konventionellen Methoden.
Auf dem Bruderholzhof, der 40 Hektaren Acker und Weideland sowie Wald umfasst, arbeiten nebst den Ineichens auch diverse Teilzeitangestellte sowie ein Lehrling, der zum diplomierten Landwirt mit Fachrichtung Bio ausgebildet wird. Was auf dem Hof produziert wird, verarbeitet man auch auf diesem: Dies gilt nicht nur für die ohne Geschmacksverstärker hergestellten Milchprodukte, sondern auch fürs Schweinefutter. Zum Betrieb gehören zudem zwei Katzen, ein Hund, 25 gehörnte Kühe und zwei Hähne sowie rund 90 Hühner der Rassen Andalusier, Sussex und Italiener. «Unsere Hühner entstammen alten Rassen, die mit Legehennen gekreuzt wurden», erzählt Rina Ineichen, während sie das Federvieh füttert. «Unsere Tiere legen zwar etwas weniger Eier als herkömmliche Rassen, aber das stimmt so für uns.»

Chance zum Kauf genutzt

2014 entschloss sich die langjährige Besitzerin des Bruderholzhofes, diesen zu verkaufen. «Eigentlich waren wir ja schon damals zu alt, um einen hohen Kredit aufzunehmen », sagt das Ehepaar Ineichen. Doch die beiden wollten die sich bietende Chance nutzen und den Betrieb für ihre Familie sichern. Weil sie von der Philosophie und der Transparenz der Alternativen Bank Schweiz ABS überzeugt waren, suchten sie das Gespräch mit der Bank. Daraus habe sich eine intensive und sehr gute Zusammenarbeit ergeben. «Mit dem Kredit der ABS in der Höhe von rund einer Million Franken war es uns möglich, den Bruderholzhof zu kaufen», sagt Andreas Ineichen. «Das war eine enorm wichtige Unterstützung für uns.» Weitere Mittel erhielt die Familie aus ihrem Umfeld sowie von einer Stiftung zur Erhaltung bäuerlicher Betriebe.
Grosse Ausbaupläne für den Bruderholzhof – auf dessen Boden seit 2010 alljährlich auch ein Musikfestival mit Biokonzept namens Leimentaler Openair über die Bühne geht – hegen Andreas und Rina Ineichen aktuell keine. «In sechs Jahren werden wir pensioniert», führen sie aus. «Unser nächstes Thema ist deshalb die Nachfolge.» Der älteste Sohn arbeitet als Forensiker, die älteste Tochter ist als Juristin tätig, doch die beiden jüngeren Kinder interessierten sich für den Betrieb. Aber: Sie sind beide noch Teenager. «Wir müssen es also aushalten, dass wir bis auf Weiteres nicht wissen, wer den Bruderholzhof eines Tages von uns übernimmt. » Allzu sehr scheinen sich Andreas und Rina Ineichen nicht zu sorgen, denn sie freuen sich an dem, was sie haben: «Weil wir zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort waren, konnten wir unser Leben so verwirklichen, wie wir es immer wollten.»

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