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19.06.2019 von Pieter Poldervaart

Erster ABS-Anlagefonds als Hebel für mehr Nachhaltigkeit

Wer angesichts der Minuszinsen dennoch Ertrag für sein ­Erspartes sucht, findet eine Fülle von ­Anlage- und Obligationenfonds. Doch ­bisher entsprach kaum einer dem strengen Nachhaltig­keitsverständnis der ABS. Der erste bankei­gene ­Anlagefonds schafft nun Abhilfe. ­Zudem will die ABS im Dialog mit den gelisteten Firmen deren Nach­haltigkeitsperformance verbessern.


Beitrag der ABS
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1990 wurde nicht nur die ABS gegründet, sondern mit dem Oeko-Protect der Credit Suisse auch der erste Nachhaltigkeitsfonds der Schweiz aufgelegt. Heute existieren hierzulande rund 300 Fonds, die sich über Nachhaltigkeitskriterien differenzieren. Einige dieser sozialen und ökologischen Anlagefonds bietet auch die ABS ihrer Kundschaft an. «Doch seit jeher ist die Situation unbe­friedigend», erklärt Michael Diaz, Leiter des Bereichs Anlegen und Mitglied der ABS-Geschäftsleitung. Denn ausser bei den sogenannten Impact-Anlagefonds finden sich fast in jedem Nachhaltigkeitsfonds Titel, die im Prinzip auf der Ausschlussliste der ABS stehen. Diese schwarze Liste führt jene Unternehmen auf, in welche die ABS nicht investiert, weil sie ihren Werten wider­sprechen. Die Firmen finden denn auch nicht Eingang in die Anlageberatung.

Einerseits könne man also nicht voll hinter den ­be­stehenden Nachhaltigkeitsfonds stehen, sagt Michael ­Diaz. «Andererseits hat die ABS viele Kundinnen und ­Kunden mit Einlagen, die zu klein sind für unsere Ver­mögensverwaltung. Angesichts der Negativzinsen ist es wichtig, dieser Kundschaft eine Ergänzung zu unserer bestehenden Palette an Anlagemöglichkeiten anbieten zu können.» Deshalb lancierte die ABS im März 2019 ­unter der Bezeichnung «ABS Living Values – Balanced Fund» ihren ersten eigenen Anlagefonds. Vor der ­Lancierung waren Entscheide fällig zu Strategie (defensiv, breit diversifiziert; 40 Prozent börsenkotierte ­Aktien, 60 Prozent Obligationen), Nachhaltigkeitspolitik (analog dem bestehenden ABS-Anlageuniversum), ­Positionierung im Markt (Priorität für die ABS-Kundschaft) und Ge­bührengestaltung. Diese Konzeptphase, deren Resultate auch für allfällige zukünftige Fonds massgebend sein werden, dauerte ein halbes Jahr. Nochmals so lange ging es dann bis zur offizi­el­len Publikation.

Nachhaltigkeit umfassend verstanden

Basis für die Titel, die sich im ABS-Anlagefonds finden, ist das ABS-Anlageuniversum. Schon in der Vergangenheit hatte das zweiköpfige Team der Unternehmens­analyse Dutzende von Firmen auf ihre Nachhaltigkeit hin untersucht und daraufhin ein Anlageuniversum mit gut 100 Unternehmen definiert. Laut den Berechnungen der ABS hält das Portfolio denn auch das Zwei-Grad-Klimaziel von Paris ein. Die augenfälligste Grundlage sind die Ausschlusskriterien: Branchen wie Chemie, Rüstung, ­Atomindustrie, Gentechnologie, Flugzeugbau oder fos­sile Energieträger werden nicht gelistet. Die Folge ­dieser strengen Ausschlusskriterien ist, dass im Vergleich zu einem branchenüblichen Nachhaltigkeitsfonds nur etwa die Hälfte der Unternehmen berücksichtigt werden. Im Vergleich zur Konkurrenz muss die ABS also auf eine Vielzahl der Titel verzichten.

Weil diese Auswahl für einen Anlagefonds aber zu eng ist, hat die ABS gegenüber den bisher identifizierten nachhaltig korrekten Titeln zusätzliche 80 aufgespürt und ist daran, die Auswahl weiter zu ergänzen. «Heute kann ich aus einem Korb von 180 Aktien und 1600 ­Obligationen von Firmen und Ländern auswählen, die ­alle mit dem internen Nachhaltigkeitslabel, dem ABS-­Vogel, bewertet sind», erklärt Bruno Sonderegger, Leiter Asset-­Management, der die Investments für den Fonds tätigt. Mit null Vögeln versehene Firmen tangieren zwar keine Ausschlusskriterien, heben sich aber auch nicht be­sonders ab, was ihr Mehrwert für Umwelt und Gesellschaft angeht. Titel mit fünf Vögeln hingegen stehen für Unternehmen, die punkto Nachhaltigkeit Vorreiter sind. Der Durchschnitt der Titel im An­lagekorb soll mindestens 2,5 ABS-Vögel erreichen.

Engere Auswahl fordert heraus

Natürlich soll ein Fonds nicht nur eine angemessene Rendite erzielen, sondern auch möglichst dem Anlage­instrument entsprechend tiefe Risiken für die Anleger mit sich bringen. Dafür werden die Anlagen grösst­möglich diversifiziert. Bei einem strengen ethischen Ansatz, wie ihn der ABS-Fonds verfolgt, gibt es aber Grenzen. Die Ausschlüsse ganzer Branchen trifft auch Unternehmen, die nur am Rande Geschäfte tätigen, die für die ABS tabu sind. Betreibt beispielsweise ein Maschinenbauer eine – ökologisch wünschenswerte – Windsparte und unterhält gleichzeitig eine – geächtete – Waffenschmiede, bleibt er draussen. Viele Weltkonzerne sind breit aufgestellt, weshalb etliche von ihnen in den engen Maschen hängen bleiben. Bruno Sonderegger: «Als Folge enthält der ABS-Fonds überproportional viele Titel von mittleren und kleinen Unternehmen.» Das sei herausfordernd, weil die Volatilität dieser Small und Mid Caps durchschnittlich höher sei als jene der grossen Marktteilnehmer. Mit einem bewusst breiten Investment, was Unternehmen, Branchen, Länder und Währungen angeht, versucht das Fondsmanagement, dieses Ungleichgewicht zu kompensieren. Limitiert ist der ABS-Anlagefonds übrigens auch bei Länderobligationen: Kanada etwa, in Sachen Klimaschutz stark engagiert, musste über die Klinge springen, weil es im grossen Stil genmanipulierte Soja anbaut. Anleihen von Gross­britannien und Frankreich wiederum schieden aus, weil sich in ihren Arsenalen ABC-Waffen befinden und sie auf Atomenergie setzen.

Lobbystelle für mehr Nachhaltigkeit

Doch bewirkt eine Einlage in den Fonds tatsächlich eine nachhaltigere Wirtschaftsweise? Bei einem Anlagefonds mit börsenkotierten Titeln sind zwei Ebenen denkbar. Werden erstens Firmenanteile in grossem Stil gekauft, legt die Aktie an Wert zu. Für das ausgewählte Unternehmen wird damit die Refinanzierung über die Börse günstiger. Man verhilft der nachhaltigen Wirtschaft also zu einem leichten Vorteil. Am ehesten spielt dieser Effekt bei kleineren und mittleren Unternehmen, in die der Fonds im Vergleich zu anderen überproportional investiert. «In der Regel wird eine solche Wirkung aber erst dann spürbar, wenn mehrere Anlagefonds zusammen investieren», räumt Lutz Deibler, Leiter der ABS-Unternehmensanalyse, ein.

Interessant ist hingegen die zweite Ebene, jene des sogenannten Engagements. Unter diesem eng­lischen Begriff wird die Beeinflussung der Firmen­politik durch Investoren verstanden. Im Fall des ABS-­­Anlagefonds will man einerseits die Stimmrechte ­aktiv wahrnehmen und an der Generalversammlung Druck für ein verantwortungsvolles Geschäftsge­baren aufbauen. Andererseits plant man, mit der Geschäftsleitung oder den Nach­haltigkeitsbeauftragten von ausgesuchten Unternehmen das direkte Gespräch zu suchen. «Dabei werden wir Schwachstellen thematisieren, auf die wir im Rahmen unserer Unter­nehmensanalyse gestossen sind, und dafür werben, sich zu verbessern», sagt Deibler. Weil das Gewicht des ABS-Anlagefonds auch hier klein ist, sucht die Bank die Zusammenarbeit mit anderen ­kritischen Aktionären in der Schweiz oder – auf internationaler Ebene – der europäischen Vereinigung Share­holders for Change, in der man per Juni 2019 Mitglied werden will. Dieses aktive «Engagement» kostet aber ­einiges. Denn um die ­aufwendige Gesprächsarbeit erledigen zu können, muss eine neue Stelle geschaffen ­werden. Salopp ausgedrückt, finanzieren die Einleger­innen und Einleger im ABS-Anlagefonds also eine ­Lobbystelle, die Druck macht für eine nachhaltigere ­Ausrichtung der im Port­folio ­versammelten Firmen.

«Punkto Nachhaltigkeits­verständnis waren wir uns selbst Vorbild.»

Längerfristig investieren

Stolz ist die ABS, einen Fonds lanciert zu haben, dessen Kriterien bisher einzigartig streng sind. «Natürlich haben wir das internationale Umfeld auf Ähnliches ­geprüft, doch punkto Nachhaltigkeitsverständnis waren wir uns selbst Vorbild», sagt Michael Diaz. Dazulernen konnte die ABS von ausländischen Banken aber ­beispielsweise bei der Berichterstattung und dem ­Schaffen von Transparenz, was die Nachhaltigkeitsleistung angeht.

«Lebende Werte – ausgeglichener Fonds» verspricht der ABS-Anlagefonds in seinem Namen. «Wir betreiben keine Gewinnmaximierung», betont Michael Diaz – und meint damit nicht bloss, dass die Bank auf Inves­titionen in fragwürdigen Branchen verzichtet. Ein Indiz für Langfristigkeit und Nachhaltigkeit sei auch, dass man kein «Hüst und Hott» betreibe, sondern einen einzelnen Titel mit einem Anlagehorizont von mindestens drei Jahren halten wolle. Dieselbe Erwartung haben die Fonds­verantwortlichen übrigens auch an jene, die ihr Geld dem Fonds anvertrauen wollen. Zwar kann das ­Kapital täglich abgezogen werden. Doch nahegelegt wird das Finanzvehikel Personen, die mindestens für fünf bis zehn Jahre auf ihr Geld – empfohlen wird eine ­minimale Anlage­summe von 10 000 Franken – verzichten können.

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