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05.03.2025 von Esther Banz

«Geldprobleme machen krank»

In der mit Unterstützung der ABS renovierten Klinik Schützen in Rheinfelden finden Menschen in einer nicht stigmatisierenden Umgebung aus einer schweren Krise heraus und zurück in ihr selbständiges Leben. Den Namen trägt die Institution aufgrund ihrer historischen Gebäude.


Beitrag der ABS
Artikel in Thema Geld und Gesundheit
Foto: zvg

Schritte tun kann schwierig sein, findet man sich eines Tages in einer Dunkelkammer wieder, ohne Vorstellung, wo sich der Ausgang befindet, und auch ohne Kraft, um danach zu suchen.


Je nach Situation und Schwere einer psychischen Krankheit kann jemand von zu Hause aus wieder gesund ­werden, ambulant begleitet. In manchen Fällen braucht es aber eine andere Umgebung, Distanz und eine Be­handlung, die über das ambulant Mögliche hinausgeht.  
Einen solchen Ort gibt es in Rheinfelden. Die Klinik Schützen befindet sich nur wenige Schritte vom Bahnhof entfernt. Mit ihren historischen Gemäuern und dem ­pastellgelben Verputz des Haupthauses, das direkt an der ruhigen Strasse zur Altstadt liegt, strahlt sie die ­Menschen regelrecht an, die auf sie zugehen. An Psychiatrie denkt nicht, wer sich der Klinik nähert. Viel eher an ein gehobenes Hotel, mit den Balkonen und dem Restaurant, das zum Einkehren und gediegen Essen einlädt. «Klinik im Hotel» ist denn auch das Konzept der in Rheinfelden verwurzelten und gewachsenen Institu­tion für ­Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie.

Ein Ort mit langer Gesundheitstradition
Rheinfelden hat mit seinen Solebädern dank dem vor­handenen Salz eine lange Gesundheitstradition. Um 1900 herum gab es in der wegen seiner Brücke auch ­historisch bedeutsamen Stadt vierzehn Kurhotels, das ehemalige Schützenhaus «Schützen» war bereits vor 150 Jahren ein Solebadhotel, das erste noch dazu. Die Anfänge der Klinik in ihrer jetzigen Form gehen auf die frühen 1980er-Jahre zurück, mit einem Angebot für Psychosomatik und Rehabilitation im Hotel Schützen. 
In den geschmackvoll eingerichteten Räumen ver­bindet sich die Geschichte des Gebäudekomplexes, der verschiedene Trakte umfasst, mit heutiger Moderne, von der Einrichtung bis zur Technik. Die Frische ist kein ­Zufall: Der ganze Schützen-Komplex wurde in einem ­aufwendigen Prozess im Bestand renoviert und vor bald zwei Jahren neu eröffnet. Die Hausbank ABS, die auf Ebene Verwaltungsrat via Albi Wuhrmann auch personell mit der Klinik Schützen verbunden ist, spielte beim ­Umbau eine wichtige Rolle, erzählt Direktor und Chefarzt Hanspeter Flury beim Gang durchs Haupthaus: «Es gab grosse Probleme mit dem ersten Generalunternehmer, der Rechtsstreit – es geht um Millionen – ist noch nicht abgeschlossen. Wir waren sehr froh um eine Bank wie die ABS, die einen Sinn dafür hat, dass es auch schwierige Zeiten geben kann, und uns entsprechend gut begleitete.»

Foto: zvg

«Niederschwellig» dank offener Atmosphäre
Die Klinik Schützen ist eine Privatklinik, die aber – wie es in der Schweiz üblich ist – sowohl privat und halbprivat als auch allgemein Versicherte behandelt. Und obwohl man sich hier auch in einem gehobenen Hotel befindet, ist «niederschwellig» ein Wort, das Hanspeter Flury immer wieder verwendet, wenn er von der Klinik spricht. Er erklärt es so: «Menschen, die eine stationäre Behandlung brauchen, suchen diese oft nicht, weil die Vorstellung, in eine psychiatrische Klinik einzutreten, sie abschreckt. Hierherzukommen, ist ein weniger grosser Schritt. Man ist zwar in einer Klinik, aber die Atmosphäre ist anders, offener, eben weil wir auch ein Hotel sind und ein Ort, an dem Seminare abgehalten werden.» Tatsächlich fühlt man sich hier weit entfernt von einer ­Psychiatrie, die stigmabehaftet ist. 
Im Unterschied zu den Hotelgästen bezahlen jene, die für einen Klinikaufenthalt nach Rheinfelden kommen, die Kosten nicht selber. Psychiaterinnen und Psychiater weisen in Absprache mit der jeweiligen Kranken­kasse jene Patientinnen und Patienten zu, bei denen sie eine ­stationäre Behandlung für notwendig erachten. Mit jeder zugewiesenen Person gibt es dann ein Vorgespräch. «Wir schauen das Problem an und besprechen gemeinsam, was es braucht», sagt Hanspeter Flury. Daraus ­resultieren Abmachungen für eine freiwillige Behandlung, die in der stationären Klinik in der Regel drei ­bis sechs Wochen dauert. 
Die meisten der erwachsenen Patientinnen und ­Patienten (das Mindestalter bei Eintritt ist 18, in Aus­nahmefällen 16) kommen mit einem Burn-out respektive einer Erschöpfungsdepression, viele auch mit einem Trauma. Flury bemerkt nebenbei: «Wir haben eine Warteliste wie nie zuvor.» Auch Angststörungen nähmen zu, bedingt nicht zuletzt durch Kriege, Klimawandel und wirtschaftliche Unsicherheiten. 

Finanzielle Probleme als psychische Belastung
Speziell belastend seien für Menschen zudem finanzielle Probleme, «psychische Probleme sind oft daran ­gekoppelt», sagt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, der nach wie vor auch direkt mit Patientinnen und Patienten arbeitet. Arbeitslosigkeit sei denn auch die grössere Gefahr für die psychische Gesundheit als Stress, «wenig Geld ist überhaupt ein Risikofaktor, und ganz schlimm ist Verschuldung und erschwerter Zugang zu Bildung». Rückzug sei eine Folge davon, aber auch gesellschaftlicher Ausschluss und schliesslich Verein­samung und Scham. «Man fällt aus Kontakten raus, insbesondere im Abstieg. Das ist brutal. Da gibt es viel ­Teufelskreis-Gefahr.» Viele täten sich schwer damit, So­zialleistungen in Anspruch zu nehmen. Die sozialen Ressourcen – eigene und solche von aussen – sowie das Gesundheitsverhalten seien aber auch Punkte, an denen man therapeutisch ansetzen könne: «Eine Patientin sagte im Vorgespräch: ‹Am 15. Mai bringe ich mich um. Dann muss ich aufs Sozialamt.› Es gelang mittels Sachhilfe, sie vor dem Konkurs zu bewahren», erzählt Flury, «so konnten wir mit ihr an der Scham arbeiten, und schliesslich kam sie aus der Depression heraus.»
Die Palette der Therapien in der Klinik Schützen ist vielfältig und reicht von klassischen Einzel- und Gruppengesprächen über Ergotherapie bis zu Fitness-, Kreativ- und Expressivtherapien. Sie alle dienen nicht zuletzt auch der Stärkung der eigenen Ressourcen. «Alle erhalten einen individuellen Therapieplan, den sie auf dem Handy greifbar ­haben», sagt Flury, ebenso, dass der Plan im ­Verlauf des Prozesses angepasst ­werde. Das Programm sei intensiv, man ar­beite auch mit Angehörigen zusammen und wenn nötig mit der dafür zustän­digen Person am Arbeitsort. Bei aller Niederschwelligkeit – eine Einschränkung ­gebe es, sagt Flury: «Für Menschen, die auffällig krank sind, etwa mit einer akuten Psychose, ist die Klinik Schützen nicht der richtige Ort – ­dafür sind wir zu offen.»

Druck auf Leistungserbringende nimmt zu
Seit ihrer Wiedereröffnung ist die Klinik mit ihren rund 100 Betten und 50 weiteren für externe Hotellerie ­grösser als zuvor. Eine Tagespauschale, in der alles ­enthalten ist, deckt die Kosten des Aufenthalts – sie ­liegen im Schnitt um die 700 Franken pro Tag und sind ­damit im üblichen Rahmen. Die grosse Warteliste ­deutet darauf hin, dass die Klinik gut läuft. «Ja», bestätigt Flury, «aber die Erwartungen an die Leistungen steigen ständig, gleichzeitig sollten die Kosten runter. Wir spüren, dass wir dauernd noch mehr quetschen müssen, um wirtschaftlich zu sein.» Gleichzeitig nehme der ­Aufwand für die geforderte Administration ständig zu. Dass sich in der Gesellschaft die Schere ­weiter öffne, die zwei Prozent der Reichsten stets noch reicher würden und der Mittelstand absacke, es mehr und mehr ärmere Menschen gebe: Das sei auch fürs Gesundheitswesen ein Problem. «Der Druck auf uns Leistungserbringende steigt, wir müssen immer mehr nachweisen. Das ist ein zentraler Grund, weshalb der administrative ­Aufwand so zunimmt.»
Nach dem Austritt aus der Klinik sind die Patientinnen und Patienten in der Regel so weit stabil, dass sie ­zurück in ihr gewohntes Umfeld gehen und falls nötig fortan ambulant weiter begleitet werden können.


Die Schritte sind jetzt kräftiger, und die ­Richtung ist klar. Gut aber, gibt es entlang des Wegs ein Seil.



Foto: zvg
Hanspeter Flury, Chefarzt und Direktor  der Klinik Schützen  Rheinfelden


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