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13.03.2019 von Katrin Wohlwend

Alternative Bank - alternative Männer?

Bei der ABS sind sie keine Exoten: Teilzeit ­arbeitende Männer und Väter, die schon mal ­bezahlten Vaterschafts­urlaub hatten. In der ­Gesellschaft sind sie nach wie vor die Ausnahme. Was ist anders bei der ABS? Die Antwort ist ­erstaunlich einfach: Männer haben eine Wahl.


Beitrag der ABS
Artikel in Thema Frauen und Geld
Teilzeitarbeit für Männer und Vaterschaftsurlaub – in der Personalpolitik der ABS spielt beides eine zentrale Rolle. Vier Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub gewährt die Bank. Zudem fördert sie Teilzeitarbeit für beide Geschlechter, auch auf Führungspositionen. 56 Prozent der ABS-Angestellten arbeiten weniger als 90 Prozent, bei den Männern rund 44 Prozent. Unter Teilzeit versteht die ABS ein Pensum unter 90 Prozent. Berücksichtigt man allerdings, dass die Bank die Wochen­arbeitszeit für ein 100-Prozent-Pensum auf 40 Stunden ­begrenzt, lässt sich auch mit einer 90-Prozent-Stelle viel Freiraum erreichen. Zum Beispiel ist es ein beliebtes Modell, das 90-Prozent-Pensum in vier Tagen zu erledigen. Schliesst man die 90-Prozent-Stellen ins Teilzeitverständnis ein, ­beträgt die Teilzeitquote bei den ABS-Männern sogar 60 Prozent.
Bei ihren Bemühungen um Gleichstellung hat die ABS verinnerlicht, worauf Fachleute unermüdlich hinweisen: Es geht dabei nicht nur um Frauenförderung. Zur Gleichstellung von Frauen und Männern gehört laut dem Eidgenössischen Gleichstellungsbüro, dass Paare selbst bestimmen können, wie sie bezahlte und unbezahlte Arbeit unter sich aufteilen wollen. Das bedingt, dass sich auch die Lebenswelt der Männer verändern kann. Gleichstellung muss deshalb auch Männerthema sein.

Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander

Das ist auch eine der Hauptbotschaften von Markus Theunert, Mitglied der Geschäftsleitung von männer.ch, dem Dachverband der Schweizer Männer- und Väter­organisationen. «Politisch und gesellschaftlich ist dies aber ein hartnäckiger blinder Fleck, auch wenn der ­Auftrag dazu in der Bundesverfassung verankert ist», sagt der 46-Jährige. Spätestens bei der Familiengründung zeige sich, dass Männer immer noch stark er­werbsorientiert seien. Die Zahlen des Bundesamtes für Statistik geben Theunert recht: Von den 88 Prozent ­erwerbstätigen Männern in der Schweiz arbeiten nach wie vor nur rund 18 Prozent Teilzeit. Betrachtet man nur die Väter kleiner Kinder, so sinkt die Quote gar auf ernüchternde 10 Prozent. Im Vergleich dazu haben von den knapp 80 Prozent erwerbstätigen Frauen fast zwei Drittel eine Teilzeitanstellung, bei den Müttern liegt die Quote bei fast 80 Prozent. Es sieht also nicht danach aus, als hätten Paare in der Schweiz bezahlte und unbezahlte Arbeit gerecht untereinander aufgeteilt. Wollen es die Männer nicht anders? «Jein», sagt Theunert. «Das Leitbild des präsenten Vaters ist heute Mainstream – zumindest in der Theorie. In der Praxis gibt es noch zu viele Hürden – und natürlich auch Ausreden.» Er nennt diese erweiterten Rollenbilder bei augenscheinlich ­unveränderten Lebenswelten «widersprüchliche Gleichzeitigkeit». Einen Hauptgrund ­dafür, dass Männer in ­diesem oft überfordernden Spannungsfeld ausharren, sieht Theunert in einer «Wahlfreiheitslüge»: «Echte Wahlfreiheit besteht, wenn ich zwischen gleichwertigen Optionen wählen kann und nicht das traditionelle ­Modell automatisch der einfachere Weg ist», betont er. Die Politik sei hier gefordert, aber auch Unternehmen müssten einen entscheidenden Beitrag leisten.

Alternativen für Männer

Bei der ABS haben die Männer die Wahl, und sie machen davon auch Gebrauch, wie die Teilzeitquote zeigt. Aber wozu nutzen sie die zusätzliche Zeit? Leben sie ihr Selbstbild als «präsente Familienmenschen» aus und haben Theunerts widersprüchliche Gleichzeitigkeit hinter sich gelassen? Alternative Bank – alternative Männer? Der Praxistest zeigt eher, dass es der ABS gelungen ist, Alternativen für Männer zu schaffen. Zum Beispiel für Peter Senn und für Yannick Reusser.
Die ABS-Mitarbeiter Peter Senn (links) und Yannick Reusser machen von Möglichkeiten wie Teilzeitarbeit und Vaterschaftsurlaub gern und unaufgeregt Gebrauch.
Peter Senn arbeitet bei der ABS in einem 60-Prozent-Pensum als Kundenberater für Firmenfinanzierung. Der 41-Jährige betreut an seinen freien Tagen seine beiden Kinder. Seit fast zwanzig Jahren ist Peter Senn in der Banken­branche tätig – bis zum Wechsel zur ABS immer Vollzeit. «Als ich ­Vater wurde, wollte ich mein Pensum reduzieren», ­erinnert er sich an den Start ins Familienleben. «Den Wunsch, mich an der Familienarbeit zu beteiligen, hatte ich immer. Mein damaliger Arbeitgeber ging aber nicht darauf ein, und ich habe auch nicht darauf bestanden oder Kon­sequenzen gezogen.» Weil es auch so ­irgendwie ging, haben er und seine Frau sich aber davor gescheut, ­ausgerechnet in dieser Lebensphase grössere Veränderungen anzupacken.
Als Peter Senns Kinder vier und fünf Jahre alt wurden, zogen sich aber die Grosseltern aus der Betreuung der Enkelkinder zurück. Seine Frau, die damals 20 Prozent erwerbstätig war, hegte den Wunsch, sich beruflich weiterzuentwickeln. Er selbst sah seine Rolle als Familienvater ebenso vernachlässigt wie sein Interesse an kreativen Tätigkeiten. So wurde das Teilzeitpensum zu einem wichtigen Kriterium bei der Suche nach einer ­neuen Stelle. Bei der ABS eine anspruchsvolle Stelle im 60-Prozent-Pensum zu finden, beschreibt er als seltenen Glücksgriff. «Oft wird ein Pensum von 80 bis 100 Prozent ausgeschrieben. Im Gespräch heisst es dann meist: Wir hätten eigentlich schon lieber 100 Prozent.» Dass die Arbeit mit Kundenkontakt auch im Teilzeit­pensum funktioniert, bekräftigt Peter Senn ausdrücklich. Das sei eine Frage der Betriebskultur sowie der Or­ganisation im Team und Kommunikation gegenüber der Kundschaft.

Lebenszufriedenheit im Fokus

Heute lebt Peter Senn mit seiner Frau ein Modell, das für die beiden schon lange ein gutes Szenario ge­wesen wäre: Beide arbeiten Teilzeit, beide sind für ­Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung in ähnlichem Umfang zuständig. Er hat die Freiheiten genutzt, die die ABS bietet. Das hat auch Yannick Reusser gemacht, der bei der ABS Bereichsverantwortlicher in der Fachstelle Personal ist. Als sein erstes Kind geboren wurde, reduzierte er sein Pensum von 100 auf 80 Prozent. Zudem kam der 31-Jährige bereits zweimal in den Genuss von vier Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub.
«Beide Male war das unverzichtbar», erinnert er sich. «Zum ­einen als Unterstützung für meine Frau, aber auch für mich, um in der neuen Rolle als Vater anzukommen und von Anfang an eine enge Bindung zu den Kindern ­aufzubauen.» Yannick Reussers Frau war vor der Familiengründung zwischen 80 und 100 Prozent tätig. Nach dem ersten Kind reduzierte sie ihr Pensum auf 20 Prozent. «Ich hätte mir gut vorstellen können, mehr zu reduzieren und sie weniger», erklärt er. «Meine Frau hing aber inhaltlich weniger an ihrer Arbeit. Wir ­haben geschaut, wer was möchte, und dann entschieden.» Wichtiger als das Resultat war für Yannick Reusser die Herangehensweise: Ist es von vornherein klar, wer welche Rolle übernimmt? Oder schaut man, für wen welches Szenario am besten passt? «Dank der Wahlfreiheit, welche die ABS gibt, konnten meine Frau und ich uns beide viel stärker auf unsere jeweiligen Bedürfnisse und unsere Lebenszufriedenheit fokussieren», sagt Yannick Reusser. Und das gehe eben nur, wenn der Arbeitgeber überhaupt offen sei für verschiedene Antworten.
Peter Senn und Yannick Reusser sind repräsentativ für eine ganze Reihe jüngerer männlicher Angestellter bei der ABS: Menschen, die die Familienphase noch vor sich haben oder mittendrin sind. Sie machen von Möglich­keiten wie Teilzeitarbeit und Vaterschaftsurlaub gern und unaufgeregt Gebrauch – einfach, weil sie es möchten und (endlich) auch können.
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