Wer über das Erben nachdenkt, kommt leicht vom Hundertsten ins Tausendste. Hier darum nur eine kleine Auswahl der Facetten des Erbens. Vor dem inneren Auge des neidischen Betrachters erscheinen zum Beispiel verwöhnte und/oder rebellische Grossbürgerkinder, deren Coolness für einen selber stets unerreichbar war. Ob in der Kindheit und Jugend verwöhnt oder, im Gegenteil, aus ideologischen Gründen knapp gehalten, brauchten sie sich niemals Sorgen um die Finanzierung ihrer Existenz zu machen, weil sie einmal ein Vermögen erben würden, gegen das keine noch so gute Pensionskasse würde anstinken können. Dieser Neid ist gewissermassen prophylaktisch, er härtet einen immunisierend gegen das ab, was man empfinden wird, wenn der Erbfall erst einmal eingetreten ist.
Neid kann sich aber rückwärtsgewandt selbst noch auf diejenigen erstrecken, die es sich leisten konnten («leisten»?), ein grosses Erbe auszuschlagen, wie Ludwig Wittgenstein oder wie der Bankierssohn Aby Warburg, der – so die Legende – schon früh auf sein Erbe verzichtet hatte, und zwar zugunsten der Zusage, dass ihm die Familie den Aufbau seiner (tatsächlich legendär gewordenen) Bibliothek finanzierte. Wenn man an den Zigaretten-Erben Jan Philipp Reemtsma denkt, der mit dem geerbten und gut angelegten Geld das Hamburger Institut für Sozialforschung gründete und Arno Schmidts Mäzen wurde, schwant einem, dass der Neid auf die immensen Vermögen, die vererbt und geerbt werden, vielleicht verständlich, aber das daraus sich nährende Generalressentiment nicht zwangsläufig gerechtfertigt ist. Es gibt eben auch Erben, die etwas Vernünftiges mit ihrem Vermögen anfangen; solche, die nicht als «rebels without a cause» anfangen und als Unternehmer mit kaltem Herzen und kühlem Verstand enden, die in China zu Billigstlöhnen produzieren lassen, weil sie schliesslich kein Geld zu verschenken haben. Aber trotzdem ...