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18.09.2019 von Esther Banz

Klimajugend trifft ABS

Beitrag der ABS
An den Klimademonstrationen klären Jugendliche immer wieder ­darüber auf, wie problematisch die Kohle- und Erdölinvestitionen von Schweizer Grossbanken sind. Einzelne rufen dazu auf, zur ABS zu wechseln. Macht das Sinn? Ein Gespräch über die Finanz­industrie, ­Investitionen, ­Divestment – und netto null.

Artikel in Thema In eigener Sache
Anika Brunner und Dominik Waser von der Klimajugend zu Besuch am ABS-Hauptsitz in Olten
moneta: Wer in der Schweiz fürs Klima demons­triert, hört früher oder später die Aufforderung, sein Geld besser der ABS zu geben als einer Grossbank. Warum dieser Aufruf?

Dominik:
Grossbanken investieren im grossen Stil in fossile Energien. Die Idee ist, unser Geld da rauszubringen, auch wenn es nur ganz wenig ist im Vergleich zu dem, was von den Grossinvestoren kommt. Es ist wichtig, die Leute wissen zu lassen: Eure Banken machen sehr viel Seich!

Anika:
Geld ist das Schmiermittel des kapitalistischen Systems. Es ist für unsere Zukunft also relevant, wohin das Geld fliesst, in welche Technologien ­etwa. In der ganzen Klimadebatte geht es ja oft ums Individuelle: Wie esse ich? Fliege ich noch? Aber ­ge­rade in der Schweiz, wo der Finanzmarkt uns die Rolle eines globalen Players gibt, müssen wir auch die Investitionen unbedingt thematisieren.
Anika Brunner, 20, Fachfrau Gesundheit, Studentin Pflege und Klimastreik-Aktivistin, Nationalratskandidatin Grüne Zürich
Wie kommt diese Aufforderung bei der ABS an?

Michael: Zuallererst freut es uns, weil das eine ­Anerkennung unserer Arbeit ist. Und das Geld soll ­ruhig zu uns kommen. Noch wichtiger aber ist, dass es in der Finanzindustrie einen Kulturwandel gibt.

Die Aufrufe der Jugendlichen machen Druck – können sie diesen Wandel initiieren, oder braucht es ganz andere Massnahmen?

Michael: Eine Sensibilisierung wird am ehesten dann stattfinden, wenn der Ruf nach Nachhaltigkeit via Kundenberater beim Management oben ankommt, wenn der Berater oder die Beraterin also nach oben rapportiert: «Ich habe viele Kundinnen und Kunden, die nach diesen und jenen Alternativen fragen, ihr müsst etwas machen!» Auf den ganzen ­Finanzsektor Druck auszuüben, ist wichtiger, als dass alle zu uns kommen.

Spürte die ABS die Aufrufe an den Klimademos ­eigentlich?

Michael: In Zürich sehr, ja, da haben wir eine grosse Nachfrage. Wir mussten Wartelisten einführen, weil wir schlicht nicht nachkommen. Das Schöne: Die ABS-Kundschaft hat Verständnis dafür!
Michael Diaz, 46, Ökonom und Ethiker, Leiter Anlegen und Mitglied der Geschäftsleitung ABS
Gibt es ausreichend Anlegemöglichkeiten?

Michael: Ja, wir haben genügend Gefässe, gerade auch mit dem neu lancierten Anlagefonds. Wir ­brauchen aber Zeit. Und natürlich ist das Zinsumfeld schwierig.

Martin: Problematisch ist für uns nicht das Geld, das in den Anlagebereich geht, sondern jenes auf den Spar- und Zahlungsverkehrkonti. Im Moment ist es so, dass wir nicht so schnell Kredite sprechen können, wie das Geld reinkommt. Auf diesem Geld, das bei der Schweizer Nationalbank zwischenparkiert ist, zahlen wir einen Negativzins von 0,75 Prozent; jeder Franken, der in unsere Bilanz fliesst, kostet uns also Geld.

Warum könnt ihr nicht einfach mehr Kredite sprechen?

Martin: Die Projekte müssen unseren Kriterien ­entsprechen und finanzierbar sein, sie dürfen also ­keine exzessiven Risiken ausweisen. Aufgrund des ­aktuellen Zinsumfeldes buhlen alle Banken um die finanzierbaren Projekte. Ein Photovoltaik-Projekt wird nicht mehr nur von der ABS finanziert – jede Bank würde das heute gern finanzieren, zu attraktiven Zinskonditionen. Dort liegt die Herausforderung. Früher waren wir mehr oder weniger allein unterwegs. Heute stehen wir in voller Konkurrenz mit anderen Banken. Früher konnten wir zudem die ­Zins­vorteile, die entstanden sind, weil Kundinnen und Kunden auf den Zins teilweise oder ganz ­ver­zichteten, an die Projekte weitergeben. Aber im aktuellen Zinsumfeld ist das nicht mehr möglich.
Dominik: Können Grossbanken dereinst mit den Werten einer ABS mithalten, ist das von ihrer Grösse her überhaupt möglich?

Martin: Die Grossbanken erhalten ihr Kapital nicht von der Art Aktionärinnen und Aktionären, wie wir sie haben – Leute, die sich für die Sache einsetzen. Sie müssen in den internationalen Kapitalmärkten Rendite erwirtschaften. Investitionsentscheide sind dort in der Regel völlig losgelöst von der realwirtschaftlichen Tätigkeit der Unternehmen, man schaut einfach Risiko und Rendite an. Und in Photovoltaik-Projekte inves­tieren diese Banken nicht aus Überzeugung, sondern um ein bestimmtes Kundensegment zu bedienen.

Michael: Strategisch sind sie mit Scheuklappen unterwegs. Eigentlich wissen sie auch, dass die Fi­nanzierung von fossilen Energieträgern ein Auslaufmodell ist, dass sich mit dem Paris-Abkommen die Rahmenbedingungen verändern werden. Aber die Schweizer Finanzindustrie ist dafür bekannt, dass sie solche Zeichen ignoriert und dagegenhält, bis es zu spät ist – siehe Bankkundengeheimnis.
Dominik Waser, 21, Landschaftsgärtner, ­Aktivist Klimastreik und Grassrooted, ­Nationalratskandidat Juso ­Zürich
Dominik: Wenn nun die ABS ihrerseits eine Grossbank würde – könnte sie ihren Werten dann noch treu bleiben?

Martin: Die ABS kann als Rollenmodell dienen, ­indem sie als regulierte Bank mit einem umfassenden Leistungsangebot trotzdem anders als andere ihr ­Geschäft betreibt, nämlich fair, transparent und ethisch reflektiert. Obschon ich überzeugt bin, dass die ABS noch stark wachsen kann, wird sie mit ­ihrem auf die Realwirtschaft fokussierten Geschäftsmodell nie so gross werden wie eine Grossbank.

Die Klimastreik-Bewegung fordert einen ­Systemwechsel, aber nur als Plan B. Wie viel ­Geduld habt ihr Jungen noch?

Anika: Die Art und Weise, wie wir wirtschaften und konsumieren, hat uns die Probleme gebracht, die wir heute haben. Aber anstatt den Kapitalismus als Problem zu beklagen, sollten wir ihn meiner Meinung nach viel mehr als Metapher sehen. Es gibt nicht «den» Kapitalismus mit Adresse, bei dem wir uns beschweren können. Wir alle sind dieses System, un­sere kapitalistische Prägung zeigt sich sogar in unserem sozialen Verhalten. Selbst wenn wir von nun ­an nur noch Elektroautos fahren und Solarstrom beziehen, werden beim heutigen Konsum die Res­sourcen im Hinblick auf neun Milliarden Menschen im Jahr 2050 nicht reichen. Mich würde hier die ­Meinung der Ökonomen am Tisch interessieren: ­Seid ihr auch der Meinung, dass wir mit Techno­logien allein die Klimakrise nicht werden bewältigen können?

Michael: Ich bin nicht davon überzeugt, dass wir es mittels neuer Effizienztechnologien schaffen ­werden, denn die Vergangenheit zeigt: Wir werden wohl effizienter, aber der Konsum weitet sich so stark aus, dass die Effizienzgewinne einfach überkompensiert werden. Und unser exzessiver Konsum hat negative Effekte. Das Problem ist das Wachstum. Wachstum lässt sich nicht vom Ressourcenverbrauch abkoppeln – wir müssen uns also überlegen, wie wir vom Wachstum wegkommen. Diese Dis­kussion wird hierzulande in der Politik noch nicht geführt, weil es hochgradig unpopulär ist, den Leuten zu sagen, dass sie sich einschränken müssen.
Martin Rohner, 53, Ökonom, Vorsitzender der Geschäfts­leitung ABS
Martin: Das sehe ich auch so: Wir müssen alle offen sein für diese Diskussion. Man kann auch nicht ­einem Akteur die Schuld geben. Alles hängt zusammen – die Wirtschaft, die Politik, die Gesellschaft, und es gibt eine Wechselwirkung. Deshalb finde ich so toll, was ihr macht. Ihr habt eine unheimliche Strahlkraft.

Dominik: Diese Bewegung gibt es ja vor allem ­deshalb, weil es für uns Junge fast nicht möglich ist, anders Einfluss zu nehmen – wir haben kein Geld und sind nicht in den mächtigen Positionen. Dabei sehen wir: Es ist dringend, es muss schnell gehandelt werden! Aber ich finde es auch wichtig, dass wir nicht den Zeigefinger erheben und die Erwachsenen beschuldigen. Wir müssen alle zusammen anerkennen, dass vieles schiefgelaufen ist, und jetzt schauen, was wir machen können. In der Schweiz können wir ja viel machen.

Könnte die ABS eurer Meinung nach mehr tun?

Dominik: Man müsste einfach mehr Lärm machen und zeigen, was die Alternativen sind. Das gilt auch für euch. Und ich sehe verschiedenste kleine ­Initiativen, die ernsthaft etwas verändern wollen und finanzielle Unterstützung bräuchten.

Könnte die ABS für solche Projekte eine Art Mikrokredite vergeben? Und etwa auch für Leute, die kein Geld haben, um ihre Ölheizungen durch CO2-neutrale zu ersetzen?

Martin: Wir machen uns gerade Gedanken, welchen Beitrag wir an die Sanierung des Schweizer Gebäudeparks leisten können. Ich sehe hier ein grosses Potenzial für die ABS und vor allem das Klima.
Angeregte Diskussion auf der Dachterrasse des ABS-Hauptsitzes in Olten: Wie ­er­reichen wir das ­Netto-null-Ziel?
Und die kleinen innovativen Projekte?

Martin: Bei den kleinen innovativen Projekten fehlt es meist an Risikokapital. Als Bank sind uns da aber Grenzen gesetzt. Unser Geld ist ja geliehen, das muss wieder zurückbezahlt werden.

Michael: Auch bei unseren Arbeitsressourcen sind wir beschränkt: Als kleines Unternehmen betreiben wir Innovation neben dem Tagesgeschäft. An Ideen würde es nicht mangeln im Team, und auch an Netzwerken nicht.

Anika: Die ABS hat eine wichtige Position im Auf­zeigen, dass es anders geht. Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts können wir nur gemeinsam ­lösen – oder gemeinsam daran scheitern. Wir müssen jetzt Mehrheiten schaffen und aus der links-grünen Bubble herauskommen. Wir brauchen auch Leute aus dem bürgerlichen Spektrum, der Klimawandel ist nicht nur ein links-grünes Thema.
Die Klimajugend propagiert das Divestment als grossen Hebel. Wie seht ihr das?

Martin: Divestment wird wahrscheinlich dazu ­führen, dass der Finanzsektor kurzfristig kleiner wird; längerfristig hoffen wir, dass diese karbonisierten ­Investments, also die «schlechte Wirtschaft», mit etwas Besserem ersetzt wird. Aber wir haben zuvor ­davon gesprochen, dass wir uns alle einschränken müssen. Wenn wir diesen Gedanken weiterentwickeln, wird die Wirtschaft insgesamt kleiner werden.

Sprich: Wer jetzt via Grossbank in fossile ­Energien investiert hat, wird damit leben müssen, dass ­dieses Geld dereinst vernichtet ist?

Martin: Ja, das ist ein Teil der Einschränkung.

Michael: Gesamtwirtschaftlich sollte man sich hinsichtlich der Wirkung von Divestment aber nicht ­allzu viel Hoffnung machen. Die Rüstungsindustrie ist grösstenteils von der ganzen Anlageindustrie aus­geschlossen – und trotzdem passiert realwirtschaftlich nichts: Kein Rüstungskonzern hat bisher gesagt, er würde sein Geschäftsmodell ändern. Falko Paetzold von der Uni Zürich verweist in einem Artikel da­rauf, dass diese Unternehmen einen enormen Cashflow haben und sich selber refinanzieren können. Sie brauchen dafür keine Börsen und Banken.
Und das heisst?

Michael: Es braucht die Klimajugend, die Politik, die NGOs, es braucht Information und Transparenz, um den Druck aufrechtzuerhalten. Diese ganze Breite ist enorm wichtig.

«Das Problem ist das Wachstum. Wachstum lässt sich nicht vom ­Ressourcenverbrauch ab­koppeln.» Michael Diaz


Dominik: Ich erhoffe mir von Divestment trotzdem viel, weil man aus diesem Bereich das Geld anderswo hinlenken kann, die Fossilen sind hochsubventioniert und könnten sich nicht selber refinan­zieren. Somit wirkt Divestment.

Zum Schluss noch zu eurer zentralen Forderung: Die Klimajugend verlangt netto null bis 2030. Wie sollen wir das erreichen?

Anika: Netto null bis 2030 ist ambitioniert, aber ­wissenschaftlich fundiert. Und mit jedem Jahr ­ohne radikale Reduktion wird sich alles verschlimmern und massiv teurer werden. Es ist wichtig, dieses Ziel zu setzen, auch wenn das realpolitisch anders ­aussieht.

Martin: Diese Forderung ist meiner Meinung nach gar nicht so utopisch. Sie ist richtig. Auch wenn ­vieles dagegen spricht: Wir müssen jetzt endlich ­anfangen!

Mitarbeit: Katrin Pilling
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