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23.09.2020 von Esther Banz

Liebe, Hingabe und eine sterbende Baumart

Für die Profi-Blockflöten, die Meyers im Toggenburg in Handarbeit erschaffen, benötigen sie uraltes, langsam gewachsenes Buchsbaumholz. Aber die Bäume sind ­wegen eines Schädlingsbefalls vom Aussterben bedroht. Dank viel Eigeninitiative und der Unterstützung durch den Verein Innovationsfonds können sich die Jungunternehmer genügend Rohstoff für ihre hochwertigen ­Instrumente sichern.


Beitrag der ABS
Artikel in Thema Kunst und Geld
Das Toggenburger Familienunternehmen Meyerrecorders GmbH baut mit Leidenschaft Blockflöten für professionelle Ansprüche. Von links: Madeleine Imbeck, Joel Meyer und Sebastian Meyer mit seinem Sohn Ragnar. Foto: Michael Sieber
Inmitten der hügeligen Toggenburger Landschaft wartet Madeleine Imbeck an einer Postauto-Haltestelle auf den Besuch – wie sie das ab und an tut. Denn nicht selten unternehmen professionelle Blockflöten-Spieler­in­nen und -Spieler die lange Reise hierher, um ihr neues Instrument abzuholen, das Joel und Sebastian Meyer in Handarbeit erschaffen haben.
Die Meyerrecorders GmbH («recorder» ist der eng­lische Name für Blockflöte) wurde von Joel und Se­bastians Vater Ernst Meyer gegründet. Der Autodidakt hatte sein Können stets verfeinert, bis er vor vier Jahren überraschend verstarb. Es war sein grosser Wunsch, dass ­seine Söhne das Atelier übernehmen und sein Lebenswerk weiterführen. Als Teenager hatten weder Joel noch Sebastian ausgeprägte Lust darauf, stiegen später aber doch beide bei ihrem Vater als Lehrlinge ein. 2015 stiess Madeleine Imbeck zum Familienunternehmen: Die professionelle Flötistin verliebte sich gleich doppelt – in Joel Meyer und die Meyer-Flöten – und entschied sich, das Flötenbau-Handwerk zu erlernen.
Foto: Michael Sieber
Von der Hingabe und Konzentration, die es braucht, damit aus einem Stück Buchsbaumholz Flöten für höchste Ansprüche werden, die «typisch Meyer» ­klingen, ­erzählt Sebastian Meyer: «Du musst 100 Prozent bei der Sache sein. Egal bei welchem Arbeitsschritt – noch schnell etwas machen, das geht nicht.» Flötenbau ist ­Präzisionsarbeit. Sogar einen grossen Teil ihrer Werk­zeuge fertigen die Brüder selbst an. In Momenten höchster Konzentration fühle es sich so an, als sei das Werkzeug Teil des eigenen Körpers, mit eigenen Nerven in den Spitzen der Klingen. Was der Flöte schliesslich Seele, Klang und Wert verleihe, sei das «voicing», sagt der ältere der beiden Brüder: «Das ist die Form, die man längs in den Windkanal reinkratzt. Dort konzentriert sich das grösste Wissen dieses Kunsthandwerks.»

Ein anspruchsvoller und verschwindender Rohstoff

Der Buchsbaum – der unverzichtbare natürliche Rohstoff der Meyer-Flöten – ist ein spezielles Holz, das ebenso ­anspruchsvoll wie gefährdet ist: «Das Holz muss mindestens zehn Jahre trocknen, bevor wir es verwenden ­können, besser noch länger», erklärt Joel Meyer. «Und es darf nur ganz langsam trocknen, sonst verzieht es sich.» Die Pflanzen, die bei uns vor allem als Hecken verbreitet sind, leiden unter dem Befall durch die asiatische Buchsbaumzünslerraupe, die grossflächig auch starke Exemplare des Baums zerstört. Und der Buchsbaum wächst langsam: Bis zu 200 Jahre dauert es, bevor aus einem Pflänzchen ein richtiger Baum wird. Noch gibt es im Süden Europas grössere Buchsbaumwälder. Aber wie lange noch? Die Meyer-Brüder und Madeleine Imbeck sind wiederholt nach Südfrankreich gereist, um Wälder zu finden, aus denen sie einzelne Bäume herausholen und mit ihnen ihr Holzdepot auffüllen können. Nur wenige eignen sich, denn für den Flötenbau be­nötigen sie gerade gewachsene Stämme mit möglichst wenigen Ästen. Schliesslich wurden sie fündig.
Foto: Michael Sieber
Damit die junge GmbH, deren Flöten internationales Renommee geniessen, einen genügend grossen Vorrat an Buchsbaumholz anlegen konnte, brauchte sie ­Kapital. Von ihrer Hausbank erhielten Meyers keine Finanzierung, zu jung war das Unternehmen. Und die ­Berghilfe, wo sie ebenfalls anfragten, unterstützt sie bei Investitionen in Maschinen, nicht aber bei der ­Be­schaffung von Holz. 

« Die ABS interessiert sich für die Sache und nicht nur für die ­Zahlen wie ­andere ­Banken.
Was die ABS unterstützt, soll auch für die Gesellschaft wertvoll sein.»
Madeleine Imbeck


Hier kam der von der ABS ­gegründete Verein Innovationsfonds ins Spiel (siehe unten). Madeleine Imbeck, schon länger ABS-Kundin, ist sehr glücklich über diese Zusammenarbeit, nicht nur wegen des Darlehens: «Die ABS interessiert sich für die Sache und nicht nur für die Zahlen wie andere ­Banken. Was die ABS unterstützt, soll auch für die Gesellschaft wertvoll sein – diese Haltung entspricht unserer ­eigenen. Wir schätzen dies sehr.»

Der Verein Innovationsfonds

Der Verein Innovationsfonds ­wurde von der ABS gegründet. Er stellt Eigenkapital in Form von Beteiligungen zur Verfügung oder gewährt Dar­lehen. So kann der Verein, im Gegensatz zu einer regulierten Bank, modell­hafte Pro­jekte unterstützen, die wenig Geld haben, aber lebens­fähige Strukturen und ein ­überzeugendes Konzept aufweisen. Der Verein Innovationsfonds finanziert sich hauptsächlich mit Beiträgen der ABS sowie durch Aktio­närinnen und Aktio­näre der Bank, die ihre ­Dividende spenden.

Weitere Informationen und Spendenkonto: abs.ch/innovationsfonds
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