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29.09.2025 von Pieter Poldervaart

Mehr Klarheit im Abwasser

Kläranlagen haben in den letzten 60 Jahren unsere Flüsse und Seen wieder fit gemacht. Doch auch heute noch kann das Abwassersystem optimiert werden, weiss das Jungunternehmen upwater. Dank einem Darlehen vom Verein Innovationsfonds der ABS hat es seine Messtechnik verbessert, was die Klimabelastung und den Stromverbrauch in der Abwasserbehandlung weiter senkt.


Beitrag der ABS
Artikel in Thema Wasser
Foto: zvg.
Gründerteam v.l.n.r. Manuel Layer, Robert Niederdorfer, Wenzel Gruber und Jonas Ruggle

Die Konstruktion erinnert an die Ablufthaube einer Grossküche, ist ein Quadratmeter gross und aus schwarzem Kunststoff. Von Nylonseilen an Ort und Stelle gehalten, schwimmt sie in einem Klärbecken der Abwasserreinigungsanlage Kloten-Opfikon. Neben einem Stromkabel führt ein dünner, schwarzer Schlauch zum anderthalb Meter hohen Schaltkasten, der auf der Passerelle thront, von der aus alle Klärbecken zu überblicken sind. So unscheinbar die Konstruktion auch aussieht: Sie bildet das Herz der Entwicklung, welche die Schweizer Abwasserreinigung deutlich klimafreundlicher machen kann.

Zusammensetzung: Unklar
97 Prozent der Schweizer Haushalte wurden in den vergangenen 60 Jahren an eine Abwasserreinigungsanlage (ARA) angeschlossen. Und doch kann die Technik auch heute noch verbessert werden. Denn während die Produktion etwa von Lebensmitteln oder Medikamenten bis aufs letzte Gramm dokumentiert ist, bleibt die Entsorgung von Reststoffen naturgemäss diffus. Was im Abwasser landet, variiert ständig – und entsprechend verändern sich auch die biologischen und chemischen Prozesse, die im Klärbecken ablaufen. In den bis zu mehrere tausend Kubikmeter grossen Betonbecken wandeln natürliche Mikroorganismen die im Abwasser vorhandenen Nährstoffe um, in erster Linie in Stickstoff, Kohlendioxid, Biomasse und Wasser. «Doch die Abluft besteht auch zu etwa 0,5 Promille aus Distickstoffmonoxid oder Lachgas – eine Verbindung, die gegen 300-mal klimabelastender ist als CO2», erklärt Remo Jörg. Der verfahrenstechnische Fachmann war 20 Jahre als Projektleiter im Abwasserbereich tätig. Seit Anfang Jahr arbeitet er bei upwater, einem 2022 gegründeten Spin-Off der Eawag, dem Wasserforschungsbereich der ETH. Jörg weiss, wie schnell die Zusammensetzung von Abwasser ändern kann, wenn zum Beispiel ein angeschlossener Gewerbebetrieb eine grössere Menge Abwasser ablässt. Oder wie stark die jahreszeitliche Temperaturschwankung die Artenzusammensetzung der Mikroorganismen, das sogenannte Mikrobiom, beeinflussen kann. «Mit upwater wissen wir mehr über das Abwasser – und können seine Wirkung auf das Klima reduzieren.»

Die Abluft als Hinweisgeber
Die Produktion und Freisetzung von Lachgas beispielsweise lässt sich steuern, indem mehr oder weniger Sauerstoff ins Klärbecken gegeben wird. «Üblicherweise wird das Becken periodisch belüftet. Doch allenfalls braucht es mehr Luft, um die Lachgasbildung möglichst zu vermeiden – mit unserem Verfahren ist eine Reduktion um bis zu 80 Prozent möglich», erklärt Jörg. Weil die Klärbecken unter offenem Himmel liegen, braucht es eine Ablufthaube, um eine Zu- respektive Abnahme des Gases zu registrieren. Erst kürzlich hat upwater verschiedene Details daran verbessert, dank einem Darlehen des Innovationsfonds. Indem die Messeinrichtung während längerer Zeit, am besten über mehrere Jahre, installiert bleibt, kann der Effekt einer veränderten Belüftung dokumentiert werden. Das Innere des Metallkastens, wo das Gasgemisch der bis zu 14 angeschlossenen Klärbecken kontinuierlich analysiert wird, wurde an der Eawag entwickelt und von upwater optimiert. Inzwischen sind ein Dutzend Geräte in Schweizer Kläranlangen in Betrieb. Die Sensoren und Pumpen werden in Deutschland gefertigt, ein Schweizer KMU baut die Einheiten nach Anweisung von upwater mit der Steuerung zusammen. Beim Einrichten sind Fachleute von der Firma an Ort und Stelle, das Abrufen der Daten erfolgt anschliessend online.

Längeres Leben für die Membrane
Dabei schlägt sich der Schweizer Föderalismus auch in der Abwasserreinigung nieder: Kaum zwei der 800 inländischen Anlagen sind identisch. «Entsprechend müssen wir jeweils individuell abklären, wo die Probeentnahme Sinn macht und wie lange eine Messreihe dauern soll», beschreibt Mitgründer Jonas Ruggle das Vorgehen. Die einen Betreiber kaufen die Geräte und haben sie fest montiert. Wenn sie nachweisen können, dass sie so Klimagase vermeiden, kommen sie in den Genuss von Fördergeldern der Klimastiftung KliK. Andere ARA bevorzugen eine 30-tägige Messkampagne mit Leihgeräten. Selbst dieses Vorgehen könne sich nicht nur ökologisch, sondern auch finanziell lohnen, so Ruggle: Denn damit lassen sich neben dem Mikrobiom auch der Zustand der Membrane, durch die regelmässig Luft ins Klärbecken gepumpt wird, bestimmen. Ruggle: «Bisher ersetzte man die perforierten Gummimatten nach einer festgelegten Lebenszeit, die der Hersteller empfiehlt. Mit unserer Abluftanalyse können wir nachweisen, ob die Membran noch in Schuss ist.» Das kann ihre Nutzungsdauer unter Umständen um mehrere Jahre verlängern, was wiederum Geld spart und Abfall vermeidet.

Gute Bakterien, schlechte Bakterien
Neben der Abluft untersucht upwater auch das Mikrobiom selbst. Dazu hat das Jungunternehmen ein eigenes Biomonitoring auf Basis von DNA-Analyse entwickelt. Dabei wird dem Klärbecken wöchentlich eine Probe entnommen und im eigenen Labor untersucht. Die Ergebnisse zeigen, ob die Zusammensetzung der Bakterien ungewöhnlich ist und es beim Betreiben der Anlage Korrekturen braucht, um die Reinigung zu verbessern. Weil upwater das Abwasser aus mehreren Anlagen analysiert, kann die Firma schneller Schlüsse aus den Ergebnissen ziehen und den Betreibern Vorschläge machen, wie sie eine unbefriedigende Zusammensetzung der Bakterien beheben können.

Inzwischen hat das Unternehmen mit Deutschland, Dänemark und Schottland auch erste Schritte ins Ausland gewagt. In Dänemark etwa ist es ein Gesetz zur Lachgasreduktion, das die ARA-Betreiber zu upwater-Kunden gemacht hat. In der Schweiz ist es eine Kombination aus Engagement für den Klimaschutz, Interesse an sauberem Abwasser und an tieferen Kosten. Denn mehr Luft ins Abwasser zu pumpen, ist stromintensiv und damit nicht immer gut fürs Klima. Wichtig sei, die Belüftung abhängig vom Lastverhalten zu regulieren, so Jonas Ruggle. So können die Luftpumpen während der Nachtstunden mit weniger Abwasser zurückgeschaltet werden, erklärt Ruggle: «Eine Abwasserbehandlungsanlage, die so optimiert ist, reduziert ihre Stromkosten um bis zu zehn Prozent.»

Weitere Informationen finden Sie unter:

upwater.ch

abs.ch/de/verein-innovationsfonds

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