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07.06.2023 von Simon Rindlisbacher

«Mikro» heisst in der Schweiz ein paar Tausend Franken

Mikrofinanzierungen sind auch in der Schweiz wichtig. Das zeigt die Nachfrage nach den Finanzierungs- und ­Beratungsangeboten des Vereins Go! und der Stiftung Arbeitsrappen. Denn auch wer in der Schweiz ein Kleinunternehmen gründen will, verfügt nicht immer über das nötige Eigenkapital.

Artikel in Thema Finanzielle Inklusion

Eine Existenz aufbauen und ein eigenständiges Einkommen erwirtschaften – das soll Menschen im glo­balen Süden dank Krediten im dreistelligen Dollar-Bereich gelingen. Mikrokredite sind ein wichtiges Instrument für finanzielle Inklusion, und es gibt sie auch in Europa und sogar in der Schweiz. Auch wenn «Mikro» hier für etwas grössere Beträge steht. Der Verein Go! aus Zürich beispielsweise unterstützt seit über 14 Jahren Menschen beim Aufbau einer eigenen beruflichen Existenz. Co-Geschäftsführer Beni von Allmen sagt: «Besonders Leute, die lange in einem Tieflohnsektor gearbeitet haben, haben meist wenig gespart und nicht genügend Eigenkapital.» 
Damit die Firmengründung trotzdem gelingen kann, springt Go! ein mit Darlehen zwischen 5000 und 40 000 Franken. Diese gibt es zu einem Zins von 6,25 Prozent, und sie müssen in drei Jahren zurückbezahlt werden. Zum Zug kommen Gesuchstellerinnen und -steller mit einer marktfähigen Idee und unternehmerischem Flair. Nach den gleichen Kriterien arbeitet auch die Stiftung Arbeitsrappen aus Basel. Sie ist seit fast 40 Jahren tätig und richtet ihre zinslosen Darlehen explizit an «arbeitslose oder von Erwerbslosigkeit bedrohte Menschen, um eine berufliche Existenz aufzubauen». Der kleinste Betrag, den sie vergibt, sind 4000 Franken. Im Durchschnitt betragen die Darlehen 15 000 Franken. Den Verein Go! und die Stiftung Arbeitsrappen verbindet zudem, dass sie nicht nur Darlehen vergeben, sondern die Gründerinnen und Gründer auch mit Coaching begleiten. 


Mehrere Hundert Mikrokredite seit der Gründung

Die Stiftung Arbeitsrappen hat seit der Gründung 300 Darlehen vergeben, rund zehn pro Jahr. Beim Verein Go! sind es 30 bis 45 Darlehen pro Jahr und bis jetzt insgesamt über 430. Profitiert hat ein bunter Blumenstrauss an Betrieben, vom Coiffeurladen über den Malereibetrieb bis zum Take-away. Wenn man bedenkt, dass es in der Schweiz über eine halbe Million Mikrounternehmen gibt, wirken die Zahlen allerdings eher bescheiden. Umso mehr als die beiden Institutionen in der Schweiz zurzeit die einzigen zu sein scheinen, die tatsächlich kleine vierstellige Beträge ausschütten. 


Auch die Gesamtgesellschaft profitiert 

«Es ist tatsächlich so, dass das Angebot in der Schweiz enorm spärlich ist», sagt Beni von Allmen. Dafür gebe es verschiedene Gründe. Zum einen brauche es viele Ressourcen, eine Institution wie Go! aufzubauen: Geld vom Staat, von einer Stiftung oder anderen Spenderinnen und Spendern, eine Partnerbank für die Abwicklung der Kredite, kompetentes Personal für die Beurteilung der Anträge. Dann stehe möglicherweise auch die Vorstellung im Weg, dass man aus einer prekären Situation heraus, ohne Eigenkapital und Sicherheiten, unmöglich erfolgreich eine Firma aufbauen könne. «Mikrokredite und die reiche Schweiz, das scheint irgendwie nicht zusammenzupassen», stellt der Co-Geschäftsführer von Go! fest. Und er nimmt auch an, dass die nötigen kleinen Kredite für Banken einfach zu wenig lukrativ sind. Für ihn ist klar, dass sich ein Engagement wie jenes von Go! gesamtgesellschaftlich gesehen aber lohnt: «Kleinunternehmen sind ganz wichtig für eine lebendige und vielfältige Wirtschaft.» Und es gebe viele Per­sonen, die ohne die Mikrokredite kein Unternehmen gründen könnten, auch wenn sie das Potenzial dazu hätten. 

Wenn Kia Ghassemzadeh etwas beherrscht, dann das Gastgebertum. Der gebürtige Iraner hat seit den 90er Jahren in der Schweiz Erfahrungen in der gehobenen Gastronomie gesammelt. Die perfekte Voraussetzung für sein eigenes Projekt: NUUH persian cooking – Cat
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