1163
09.06.2022 von Simon Rindlisbacher

Mit essbaren Salzen gegen den Klimawandel

Mit dem Wärmespeicher von Cowa Thermal Solutions lässt sich die Kapazität von Speichertanks in Heizsystemen verdreifachen. Er funktioniert mit natürlichen Salzen und soll dazu beitragen, den Klimawandel aufzuhalten.


Beitrag der ABS
Artikel in Thema Digitales Geld
Wer an Wintertagen rasch kalte Finger kriegt, kennt sie vielleicht: die Handwärmer oder Taschenwärmer, wie sie auch genannt werden. Es gibt sie in verschiedenen Farben, Formen und Varianten. Eine davon besteht aus einem Beutel aus Kunststoff, in dem sich eine gelartige Flüssigkeit und ein Metallplättchen befinden. Diese Flüssigkeit besteht aus speziellen Salzen. Wird das Metallplättchen geknickt, werden diese Salze langsam fest und geben dabei Wärme ab. Wenn man den Handwärmer dann in warmes Wasser legt, werden die Salze wieder flüssig. Die Wärmeenergie des Wassers wird so im Handwärmer gespeichert, bis das Metallplättchen wieder geknickt wird und das Spiel von vorne beginnt.

Wärmespeicher wie ein Handwärmer

Genau wie diese Handwärmer funktioniert auch der Wärmespeicher, den das Luzerner Start-up Cowa Thermal Solutions entwickelt hat. Dieser Speicher besteht aus pillenförmigen Kunststoffkapseln. Sie fassen rund 100 Milliliter jener Salze, wie sie auch in den Handwärmern enthalten sind. Die Kapseln werden zusammen mit Wasser in Speichertanks gefüllt, die als Puffer in Heizsystemen zwischen Wärmequelle und -verbraucher verwendet werden, beispielsweise zwischen der Wärmepumpe und der Bodenheizung. Wird warmes Wasser von der Wärmepumpe in den Speicher gepumpt, werden die Salze in den Kapseln flüssig und die Wärmeenergie darin gespeichert. Dreht man die Heizung auf, wird das warme Wasser aus dem Speicher im ganzen Haus verteilt, und er kühlt ab. «In diesem Moment übernehmen spe­zielle Materialien in den Kapseln die Funktion der Metallplättchen in den Handwärmern», erklärt Remo Waser, einer der Gründer von Cowa. Sie sorgen dafür, dass sich die Salze in den Kapseln wieder verfestigen und die gespeicherte Energie als Wärme abgeben. «Die Kapseln halten das Wasser im Heizsystem dann rund eine Nacht lang auf der nötigen Temperatur», sagt Remo Waser. 

Kapazität von Speichertanks verdreifachen

Der Clou: Die Kapseln von Cowa können bis zu dreimal mehr Wärme speichern als Wasser. Die Kapazität eines Speichertanks lässt sich damit also um das Dreifache erhöhen. Wer sein Haus mit einer Wärmepumpe heizt, die von einer Photovoltaikanlage betrieben wird, kann diese zusätzliche Kapazität nutzen, um tagsüber überschüssigen Photovoltaik-Strom als Wärmeenergie zu speichern und damit in der Nacht zu heizen. So lässt sich die Heiz­autarkie von 30 auf bis zu 60 Prozent verdoppeln. «Die grosse Speicherkapazität der Kapseln bringt zudem einen weiteren ganz praktischen Vorteil», erklärt Remo Waser. Bei Heizungen, die einen Speichertank als Puffer brauchen, kann ein viel kleinerer Tank verbaut werden, wenn dieser mit Kapseln von Cowa befüllt wird. «Die Installateurinnen und Installateure können den Tank dann einfacher im Keller unterbringen, ­beispielsweise ohne dass sie dafür eine Wand durch­brechen müssen, weil er nicht durch die Tür passt», sagt Remo Waser.

Auf den Markt bringen und Klimawandel stoppen

Zu den Gründern von Cowa gehören neben Remo ­Waser auch Simon Maranda und Jörg Worlitschek. Remo Waser und Simon Maranda kennen sich vom Master­studium an der Hochschule Luzern. Dort haben sie zu Phasenwechselmaterialien geforscht, zu denen auch die Salze in den Kapseln gehören. Jörg Worlitschek ist an der Hochschule Dozent und Co-Leiter des Kompetenzzentrums Thermische Energiespeicher. Bei ihm haben Remo Waser und Simon Miranda studiert. Während der gemeinsamen Forschungsarbeit entschiedensich die drei, später eine Firma zu gründen und einen Energiespeicher basierend auf Phasenwechselmaterialien auf den Markt zu bringen. Denn nur so könnten die Forschungsergebnisse etwas bewirken, sagt Remo Waser: «Wenn du damit nicht auf den Markt gehst, hast du ­keinen Hebel.» Und diesen Hebel zu haben, ist allen dreien wichtig: Sie wollen mit ihrer Technologie dazu ­beitragen, den Klimawandel zu stoppen.

Essbare Salze in den Kapseln

Dass sie mit Kapseln arbeiten wollen, war dem Cowa- Team bereits bei der Gründung klar. «Wir hatten aber von Verkapselung wenig Ahnung», erzählt Remo Waser rückblickend. Um das zu ändern, betrieben sie viel ­Feldforschung und tauschten sich unter anderem mit verschiedenen Herstellern von Verpackungsmaterialien und Behältnissen aus. Eine weitere Knacknuss in der ­Entwicklung der Kapseln sei die Ökologie der Salze gewesen, berichtet Remo Waser. «Da haben wir penibel darauf geachtet. Wir wollen nicht etwas Toxisches in der Welt herumschicken.» Die Salze, die nun eingesetzt ­werden, sind natürlich und werden auch als Geschmacks­träger für Kartoffelchips mit Essiggeschmack verwendet. «Sie könnten sogar gegessen werden», so Remo Waser.

Ende Jahr auf den Markt

Den Markteintritt plant das Start-up zusammen mit ­einem Schweizer Gebäudetechnik-Unternehmen auf Ende Jahr. «Die Installateurinnen und Installateure können dann die Cowa-Kapseln bei diesem Unter­nehmen bestellen und erhalten sie direkt auf die Baustelle geliefert», erklärt Remo Waser. Im Moment wird die Produktion aufgebaut. Langfristig hoffen die Gründer von Cowa, dass mehrere grosse europäische Unternehmen ihr Produkt ins Sortiment aufnehmen. Denn je mehr Kapseln sie verkaufen können, desto grösser ist die positive Wirkung auf das Klima.

Cowa-Gründer Jörg Worlitschek, Remo Waser und Simon Maranda (v. l.) neben dem ersten Cowa-Speicher­prototypen. Cowa entwickelt eine Technologie, die die Speicher­kapazität von herkömmlichen wasserbasierten Wärme­speichern (sogenannten Pufferspeichern) ver

Breit finanziert – auch vom Innovationsfonds

Die Vorteile des Systems von Cowa haben eine ganze Reihe von Geldgeberinnen und Geldgebern, die das Start-up seither unterstützen, überzeugt. Dazu gehört auch der Innova­tionsfonds der Alternativen Bank Schweiz. Für die Jury, welche die Projekte auswählt, sei rasch klar gewesen, dass Cowa unterstützt werden sollte, sagt Roland Baumgartner, der den Innovationsfonds leitet. «Uns hat überzeugt, dass das Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energie eine wirklich neue Lösung entwickelt hat.» Der Fonds hat sich mit 75 000 Franken an Cowa be­teiligt.
Artikel ausdrucken