Schmutziger als Gold

Vor kurzem startete Greenpeace in den USA eine Kampagne. Die Umweltorganisation fordert, Bitcoin solle seinen Code ändern, um den Stromverbrauch drastisch zu reduzieren. Im letzten Jahr hat die USA China als wichtigstes Herkunftsland für die Kryptowährung abgelöst. «In den USA wird fürs Bitcoin-Mining neu auch Strom verwendet, der aus überschüssigem Methan aus der Erdölförderung gewonnen wird», sagt Georg Klingler, Klimaexperte bei Greenpeace Schweiz. Im Erdölstaat Texas schössen solche Anlagen aus dem Boden. Dieser fossile Strom sei sehr günstig.

Die Stromkosten machen den Grossteil der Produktionskosten von Bitcoins aus. Zur Herstellung neuer Coins ist eine gewaltige Rechenleistung nötig. Dazu muss man eine Art mathematisches Rätsel lösen (Proof-of-Work-Code). Bei diesem «Mining» genannten Prozess wird ein neuer Block zur Bitcoin-Blockchain hinzugefügt, mit dem Transaktionen validiert werden können. Um die Zahl zu errechnen, reichte in den Anfängen vor 15 Jahren ein einzelner Computer. Heute ist dazu ein Netz von Hochleistungsrechnern notwendig, die auf vollen Touren arbeiten. Alle zehn Minuten wird ein neuer Block generiert, dessen Urheber als Belohnung sechs Bitcoins bekommt. Dies entsprach Anfang Mai etwa 240'000 Franken, seither ist der Kurs aber stark gesunken. Je mehr Bitcoins wert sind, um so mehr «Miner» machen mit. In den letzten Monaten, als der Kurs sehr hoch war, waren geschätzte fünf Millionen Geräte Teil des Bitcoin-Netzwerks.

Bitcoin-Fans zeichnen gern das Bild einer demokratischen Währung. Diese komme Armen zugute, die keine andere Möglichkeit hätten, am Finanzmarkt zu partizipieren. Doch das «Mining» ist ein professionell betriebenes Business. Die Computerfarmen stehen dort, wo es billigen Strom gibt. Insgesamt bezieht Bitcoin gemäss der Universität Cambridge 150 Terrawattstunden (TWh) Elektrizität pro Jahr (dies der Stand einer laufend aktualisierten Modellierung im Mai dieses Jahres). Dies entspricht etwa dem jährlichen Verbrauch von Polen oder fast 0,7 Prozent des Welt-Elektrizitätsverbrauchs. Zum Vergleich: Die Schweiz nutzt 57 TWh Strom im Jahr.

Die Zahlen zum Bitcoin-Energieverbrauch sind mit Unsicherheit behaftet. Sie beruhen auf Schätzungen, harte Daten fehlen grösstenteils. Andere Berechnungen liegen tiefer als jene der Universität Cambridge. Doch ist es fraglich, ob sie genauso seriös erhoben wurden wie jene der renommierten britischen Hochschule.

Sicher ist: Mit dem Energiekonsum gehen hohe CO2-Emissionen einher. Laut einer im Wissenschaftsmagazin «Joule» publizierten Studie verschiedener Forscherinnen und Forscher, u. a. von der ETH Zürich, ist Bitcoin für 65 Megatonnen CO2 pro Jahr verantwortlich: etwas mehr als der Anteil Griechenlands oder 0,2 Prozent der globalen Emissionen. Die Energiequellen für den Bitcoin-Strom sind gemäss dieser Studie mehrheitlich fossil, vor allem Kohle und Gas. Der Anteil erneuerbarer Energien beträgt ein Viertel.

In jüngster Zeit hat sich die Klimabilanz sogar verschlechtert. Dies, weil China, wo mehr als die Hälfte der Bitcoins «geschürft» wurde, das «Mining» vor rund einem Jahr verboten hat, um seine eigene digitale Währung durchzusetzen. Nun hat sich das Bitcoin-«Mining» in andere Länder verschoben. Während in China zumindest in den Sommermonaten viel Energie aus Wasserkraft eingesetzt wurde, ist das in den neuen Förderländern anders. Jeder dritte Bitcoin wird heute in den USA «geschürft», vor allem mit fossilem Strom. In manchen Städten wurden dafür eigens ausrangierte Kohlekraftwerke wieder in Betrieb genommen. Auf Rang zwei folgt Kasachstan, wo Kohle die Hauptenergiequelle ist.

In der Krypto-Community wird der Energieverbrauch kontrovers diskutiert. Bitcoin-Fans relativieren das Problem gern. So sieht Lucas Betschart, Präsident der Bitcoin Association Switzerland, «im hohen Stromverbrauch des Bitcoins kein grosses Problem», wie das «Migros Magazin» schrieb. In der Szene sage man: «Sportevents brauchen auch viel Energie, obwohl sie niemand braucht. Soll man sie verbieten?» Auf mehrere Anfragen von «moneta» reagierte Betschart nicht.

Für das Schweizer Onlineportal «Crypto Valley Journal» handelt es sich beim Bitcoin-Strom mit lediglich 0,05% des weltweiten Energieverbrauchs um «einen vernachlässigbaren Teil». Die genannte Prozentzahl dürfte aber viel zu tief sein. Gemäss Uni Cambridge ist sie vier Mal so hoch. Aussagekräftiger sind ohnehin Vergleiche des Klima-Fussabdrucks. Etwa mit Gold. Ein einziger neuer Bitcoin verursacht laut dem Fachportal «Digiconomist» 335 Tonnen CO2, Gold in demselben Wert aber nur 16 Tonnen. Bitcoins sind so gesehen 20-mal klimaschädlicher als Gold – das über eine miserable Umweltbilanz verfügt. Auch diese Aussage ist allerdings kaum vollkommen wasserdicht. «Digiconomist» nennt generell höhere Zahlen als andere Quellen, wenn es um die Umweltbilanz von Bitcoin geht.

Klar ist aber, dass es auch energiesparender ginge. Während Bitcoin auf einem Proof-of-Work-Code basiert, arbeiten neuere Währungen nach einem anderen System. Bei diesem Proof-of-Stake-Code ist die Rechenleistung und damit der Stromverbrauch 10 000-mal kleiner. Noch dominiert Bitcoin den Markt: Die Hälfte des Werts aller Kryptowährungen zusammen geht auf das Konto von Bitcoin, rund ein Viertel macht Ethereum aus, die Nummer zwei.

Doch die Kryptowährungen würden immer umweltfreundlicher, sagt Roger Wattenhofer, Professor für Verteilte Systeme und Netzwerke an der ETH Zürich. «Man wird keine neuen Währungen mit dem Proof-of-Work-Code mehr auf den Markt bringen.» Und Ethereum ist daran, auf das energiesparende Proof-of-Stake umzustellen. Das geht aber nur, weil dahinter eine Stiftung steht, die das Sagen hat. Beim völlig dezentral organisierten Bitcoin-System hingegen fehlt eine solche Instanz.

Die Umweltfrage ist auch relevant, weil digitale Währungen am Boomen sind und ihnen die Zukunft gehören könnte. IT-Giganten wie Facebook, aber auch die Europäische Zentralbank wollen solche neu schaffen. Ob diese ökologischer sind als klassische Währungen, die auf Bargeld und Buchgeld basieren, ist laut Wattenhofer schwer zu sagen. Das Management von Bargeld bedinge aber beispielsweise Transporte, die zu klimaschädlichen Emissionen führten. So gesehen hätten rein digitale Währungen das Potenzial, den Umweltfussabdruck von monetären Dienstleistungen zu senken.

Heute konsumiert Bitcoin den Grossteil der Elektrizität, die alle Kryptowährungen zusammen verbrauchen. Die Umstellung auf ein effizienteres Verfahren würde dessen Stromverbrauch um mehr als 99,99 Prozent senken. Dass Bitcoin tatsächlich den Code ändern wird, bezweifelt ETH-Experte Roger Wattenhofer: «Selbst kleinste Änderungen des Systems werden in der Community heiss diskutiert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Konsens für eine so grosse Umstellung gibt.» Aus ökologischer Sicht könne man nur hoffen, dass die Währung an Wert verliere – beispielsweise, weil der Markt «grüneren» Alternativen den Vorzug gebe. Je weniger Bitcoins wert sind, umso weniger wird «geschürft» und um so weniger Energie wird verbraucht.

Bitcoin-Anhänger hoffen stattdessen, dass die genutzte Energie grüner wird. Würde die Welt auf erneuerbare Energien umstellen, würde sich auch die Umweltbilanz des Bitcoins verbessern. Generell müssten die negativen Umwelteffekte mit dem Nutzen verglichen werden, findet das Bitcoin Mining Network. Bitcoin sei für Hunderte von Millionen Menschen die einzige Hoffnung auf eine faire und zugängliche Art von Geld. Angesichts dessen sei der «kleine Beitrag» zu den globalen CO2-Emissionen vernachlässigbar.

So oder so bleibt der Stromverbrauch von Bitcoin immens, so lange der Code nicht geändert wird. «Wir haben einen riesigen Bedarf, fossile Energien durch erneuerbare zu ersetzen», sagt Georg Klingler von Greenpeace. «Da können wir es uns nicht leisten, so viel Strom für das Mining zu verschwenden.»