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15.03.2023 von Simon Rindlisbacher

Tagelswangen heizt mit Holz

Die Heider Holzenergie AG versorgt fast ein ganzes Dorf mit Fernwärme aus Holz. Dieses stammt aus der Region, was die Anlage CO2-neutral macht. Die Alternative Bank Schweiz unterstützt den Betrieb seit mehr als zehn Jahren.


Beitrag der ABS
Artikel in Thema Holz und Wald
Es ist warm, und die Luft ist trocken im Untergeschoss an der Chlotengasse 10 in Tagelswangen. Der Grund dafür sind die drei Holzkessel und der Holzvergaser, die hier rund um die Uhr laufen. Sie sind das Herzstück der Heider Holzenergie AG, die im zwischen Zürich und Winter­thur gelegenen Tagelswangen 640 Haushalte, 22 Gewerbe- und Industriegebäude und zwei Schulhäuser mit nachhaltiger Fernwärme versorgt – das ist ein Grossteil des Dorfes. Verbrannt werden Holzschnitzel, mit denen die Kessel automatisch gefüttert werden. Diese können auch aus Holz mit schlechter Qualität ge­wonnen werden, also aus Rest- und Landschaftspflegeholz, und müssen nicht einmal extra getrocknet werden. So kann beispielsweise auch der Landschaftsgärtner aus dem Dorf die Häcksel, die beim Baumschnitt in den Gärten der Region anfallen, als Brennmaterial beisteuern. Damit macht die Heider Holzenergie, was die Eid­genössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL für möglichst umweltfreundliches Heizen mit Holz nebst anderem empfiehlt: Möglichst nur Holz einsetzen, das sonst nicht mehr weiterverwendet werden kann. 

Grosse Hitze und ein geschlossener Kreislauf
In den Kesseln der Heider Holzenergie glühen im unteren Teil die Schnitzel. Im oberen Teil lodert unter Luft­zufuhr das gut 800 Grad heisse Gas. Über einen Wärmetauscher wird Wasser aufgeheizt, das über einen Verteiler und etwas mehr als sechs Kilometer Fernwärmeleitungen an die Abnehmerinnen und Abnehmer geht. Dort fliesst es durch Bodenheizungen und andere Heizkörper und sorgt für angenehme Raumtemperaturen. Auch die Boiler für das Brauchwarmwasser werden mit Fernwärme aufgeheizt. Dabei kühlt das Wasser ab und wird danach zur Heider Holzenergie zurückgepumpt, wo es wieder aufgewärmt wird und seine Reise von vorne ­antritt. Die Abgase der Anlage werden in einem mehrstufigen System bearbeitet und vom Feinstaub gereinigt. Zurück bleibt ein grosser Berg Asche, die wie jene aus der Kehrichtverbrennung auf Deponien entsorgt werden darf. 

Neue Lösung für das Schulhaus im Ort
Ihren Anfang nahm die Heider Holzenergie 1996, als zur gleichen Zeit die Heizung im Schulhaus des Ortes und jene von Heinrich Heider ersetzt werden mussten. Dieser kam mit seinen Brüdern Erhard und Markus auf die Idee, beide Gebäude mit einer zentralen Holzheizung zu heizen. Sie entwickelten ein entsprechendes Projekt, das schliesslich von der Gemeindeversammlung angenommen wurde. «Mit Holz zu heizen, lag für die damals noch ländliche Bevölkerung auf der Hand», berichtet Erhard Heider. Viel Überzeugungskraft sei deshalb nicht nötig gewesen. Der gelernte Elektroingenieur ist Geschäftsführer und Verwaltungsratspräsident der Heider Holz­energie. Bis heute wurde diese etappenweise ­ausgebaut. Als 2006 zwei Mehrfamilienhäuser und zwei ­Firmen angeschlossen werden konnten, begann das ­Unternehmen wirtschaftlich zu rentieren. Es konnten ein zweiter Heizkessel in Betrieb genommen und erstmals Löhne ausgezahlt werden. «Von da an war die Sache nicht mehr nur ein Hobby», sagt Erhard Heider lachend. Sie wurde vorerst zum Nebenberuf. 

Etappenweise ausgebaut, auch dank der ABS
Beim Ausbauschritt 2011 kam schliesslich die Alternative Bank Schweiz ins Spiel. Damals konnten zwei weitere Überbauungen und zwei Firmengebäude an das Fernwärmenetz angeschlossen werden. Das machte einen dritten Holzkessel nötig. Die ABS steuerte mit einem ­Kredit eine Million Franken bei. «Wir haben auch andere Banken angefragt. Aber die verlangten, dass wir als ­Sicherheit Privatbürgschaften auftreiben. Die ABS hin­gegen akzeptierte dafür unser Gebäude und war somit die einzige Bank, die infrage kam», berichtet Erhard Heider. Die Zusammenarbeit mit der ABS sei damals wie heute unkompliziert und zufriedenstellend, hält er fest. Als 2014 das Fernwärmenetz ein weiteres Mal ver­grössert wurde, gab er seine Anstellung als Leiter für Lokomotivprojekte bei einem grossen Hersteller von Schienenfahrzeugen auf und machte seine Anstellung im eigenen Unternehmen zum Hauptberuf. Als der einzige Angestellte ist er heute für alles zuständig, was anfällt – vom Verkauf über die Ausbauprojekte bis zur Betreuung der Anlage.
Die Heider Holzenergie AG hat vor mehr als 25 Jahren den Betrieb mit einer Holzschnitzel-Heizanlage mit 500 kW Leistung und einem Netz von 300 Metern ­Fern­wärmeleitung aufgenommen.
Wärmepumpen als Konkurrenz
Wer sein Haus in Tagelswangen gerne an das Fernwärmenetz anschliessen möchte, muss einfach mit der Heider Holzenergie Kontakt aufnehmen. Dann wird geprüft, ob das Haus nahe genug an der nächsten Fernwärme­leitung steht und ob der Wasserdruck da noch gross genug ist. Ist dies der Fall, steht einem Anschluss nichts mehr im Weg. Extra ausgebaut wird die Leitung nur, wenn die Nachfrage stimmt und sich der Ausbau rechnet. Wobei die Nachfrage im Moment nicht mehr so gross ist wie auch schon. Das hat verschiedene Gründe: Einerseits ist ein Grossteil von Tagelswangen bereits an das Fernwärmenetz angeschlossen, und das Dorf wird nicht mehr viel weiterwachsen. Andererseits sind Neubauten heute so stark isoliert, dass weniger Fernwärme nötig ist, um sie aufzuheizen. Und schliesslich sind da auch noch die Wärmepumpen, die immer beliebter werden. «Diese sind eine gute Lösung, aber halt auch ­Konkurrenz», stellt Erhard Heider fest. Wärmepumpen werden stärker subventioniert als Fernwärme. Zudem braucht es dafür keine Leitungen im Boden, und man kann damit auch kühlen. Das werde angesichts der ­Klimaerwärmung immer wichtiger. «Besonders seit es ­Wärmepumpen auch für Mehrfamilienhäuser gibt, ist es für uns schwieriger geworden, unsere Fernwärme zu ­verkaufen.» Da hilft es auch nicht, dass die Kosten­struktur eigentlich vergleichbar ist: Hoch sind vor allem die Investitionskosten, der Betrieb kostet dann nicht viel. Rechne man ehrlich, seien auf lange Sicht beide ­Systeme etwa gleich teuer. «Das muss man den Leuten gut erklären», sagt Erhard Heider. 

Herausforderung Verkauf
Der Verkauf sei sowieso eine der grössten Herausfor­derungen in seiner Branche. Daher empfiehlt er auch allen, die ein ähnliches Projekt lancieren möchten, sich gut vorzubereiten. Damit die Rechnung aufgeht, braucht es rasch eine gewisse Anzahl Abnehmerinnen und ­Abnehmer. «Man muss ein genügend grosses Gebiet ­zusammenbringen.» Neben dem Verkauf, den man ­beherrschen müsse, ist für Erhard Heider bei einem Holzenergieprojekt auch die Herkunft des Holzes ­wichtig. Bei der Heider Holzenergie werden nur Holzschnitzel verbrannt, die aus der Region stammen. «So bleiben die Arbeit und der Verdienst hier», erklärt er. Zudem seien damit auch die Transportwege kürzer. ­Dieser lokale Ansatz funktioniere aber nur mit kleinen Betrieben, die aus seiner Sicht deshalb die bessere ­Lösung sind als grosse Holzkraftwerke. Diese brauchen so viel Holz, dass es von weit her angefahren werden muss. 

Nur mit Holz aus der Schweiz CO2-neutral
Dass das Holz lokal oder zumindest aus der Schweiz bezogen wird, spielt auch für die Umweltfreundlichkeit eine zentrale Rolle. Denn damit Heizen mit Holz CO2-neutral ist, darf der Wald, aus dem es entnommen wird, dadurch nicht kleiner werden. Nur so wird das CO2, das beim Verbrennen freigesetzt wird, gleichzeitig vom weiter bestehenden Wald wieder gebunden. In der Schweiz ist diese Bedingung erfüllt, da im Waldgesetz vorgeschrieben ist, dass die Waldfläche nicht abnehmen darf. Wobei: Holzenergie Schweiz, der Verband der Holzenergiebranche, hat kürzlich untersucht, wie viel Holz tatsächlich noch verfügbar ist. Dabei habe man mit Überraschung festgestellt, dass gar nicht mehr so viel Holz zur Energieerzeugung übrig sei. Der Grund dafür sei der gestiegene Bedarf an lokalem Bauholz, berichtet Erhard Heider und fügt an: «Neue grosse Holzkraftwerke müssen also ­vorsichtig geplant werden.»

Zukunftsaussichten
Wie sieht die Zukunft der Heider Holzenergie AG aus? «Im Moment steht die Frage im Raum, wie es mit der ­Firma weitergeht», sagt Erhard Heider. Nicht, weil das Holz ausgehen könnte. Er will sich altershalber aus dem Geschäft zurückziehen. Am ehesten werde es wohl zu einem Verkauf des Unternehmens kommen. «Dabei bevorzuge ich eine Lösung mit einer lokalen Firma. Aber auch eine Lösung mit grossen Unternehmen der Branche ist denkbar», hält Erhard Heider fest.
An das Fernwärmenetz der Heider ­Holzenergie AG in ­Tagelswangen sind über 640 Haushalte, 22 Gewerbe- und Industriebetriebe sowie zwei Schul­häuser angeschlossen.
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