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29.09.2025 von Pieter Poldervaart

Wasser, Wind und Sonne statt Atom

Vierzig Jahre nach ihrer Gründung besitzt die ADEV-Energie­genossenschaft 140 dezentrale Wasser-, Wind-, Solar- und Wärme­kraft­werke. Möglich machen das auch Kredite der Alternativen Bank Schweiz (ABS). Zwei Fünftel der Jahresproduktion entfallen auf ­Kleinwasserkraftwerke. 


Beitrag der ABS
Artikel in Thema Wasser
Bis 2030 müssen alle Schweizer Wasser­kraftwerke fischgängig werden – 2023 wurde die Anlage Juramill in Laufen entsprechend saniert und ging Anfang 2024 wieder in Betrieb.

Fünfzig Jahre ist es her, seit Umweltbewegte den ­Bauplatz des geplanten Atomkraftwerks Kaiseraugst ­besetzten. 1978 respektive 1979 nahmen beide Basler Kantone ­einen Passus in die Verfassung auf, wonach sie sich gegen Atomkraft auf ihrem Gebiet oder in ihrer Nähe ­einzusetzen haben. Auf der Suche nach Alter­nativen gründeten am 18. April 1985, zehn Jahre nach «Kaiseraugst», drei Dutzend Atomkritikerinnen und -kritiker in Liestal die Arbeitsgemeinschaft für dezentrale Energieversorgung ADEV­. «Damals dominierten ­Aktivismus und Idealismus. Doch die Erneuerbaren steckten noch in den Kinderschuhen und wurden vielerorts belächelt», ­erzählt Geschäftsführer Thomas Tribelhorn. Den Start machte ein Windrad des Ökozentrums Langenbruck: Als erste Windturbine der Schweiz speiste es Strom zurück ins Netz, ein Vorgang, den das zustän­dige Elek­trizitätswerk zuvor als technisch unmöglich deklariert ­hatte. 

Erneuerbare unter einem Dach
Heute ist die ADEV von etablierten Netzbetreibern und Gemeinden anerkannt. Bis diese mit den jungen Wilden aus Liestal auf Augenhöhe verhandelten, vergingen jedoch Jahre. Zu Beginn war vieles eher ­spontan, erinnert sich in der Jubiläumsschrift zum ­25-jährigen Bestehen 2010 der damalige Geschäftsleiter Eric Nussbaumer: «Bei meinem Stellenantritt 1988 war das Geschäftsmodell noch nicht klar umrissen, und ich war der einzige Angestellte.» 1991 floss mit dem Energienutzungsbeschluss erstmals Fördergeld für Photovoltaik aus Bundesbern. Nussbaumer nutzte diese Chance für die ADEV. Neben Windkraft und Photovoltaik wurden Kleinwasserkraft genutzt und Wärmeverbünde gegründet. Seither wurden die Technologien in vier ­eigenständige Aktiengesellschaften überführt, die alle unter dem Dach der Energiegenossenschaft gebündelt sind. Den Lead hatten dabei Kleinwasserkraftwerke: Auf sie entfielen 2024 44 Prozent oder 17,4 Millionen ­Kilowattstunden Strom. 
Dass Vorreiter Lehrgeld zahlen, weiss Tribelhorn, der nebenbei als Co-Präsident der Grünliberalen Basellandschaft amtet, aus eigener Erfahrung. 2013 baute der ­heute 55-jährige Betriebswirtschafter ein Plusenergiehaus und installierte für viel Geld Speicherbatterien, die heute für einen Bruchteil der Kosten erhältlich sind. «Die ADEV ist für mich ein idealer Ort, um mein wichtigstes politisches Anliegen – die Energiewende – umzusetzen», sagt Tribelhorn. Um bei den Speicherbatterien zu bleiben: 2019 erhielt die ADEV zusammen mit der Stiftung Habitat den Preis «Watt d’Or» des Bundesamts für Energie für das Projekt «Erlenmatt Ost» in Basel, bei dem der Effekt von zwei E-Autos mit bidirektionalen Batterien in einer Überbauung getestet wurde. Die Stromspeicherung werde in der Zukunft auch für die ADEV wichtiger werden, prognostiziert Tribelhorn.

Soziales Engagement, wirtschaftlicher Erfolg
Die Projekte finanziert die ADEV mit der Herausgabe von Genossenschaftsanteilen und Aktien sowie Dar­lehen von etwa 2300 Privatpersonen, dazu kommt Geld von Banken, so auch von der ABS. Tribelhorn: «Mit dieser Bank teilen wir wichtige Werte. Wie die ABS hat die ADEV zum Ziel, nicht einen möglichst hohen ­Gewinn zu erwirtschaften.» Entsprechend war die ADEV Mitgründerin von Social Entrepreneurship Schweiz (SENS). Darüber hinaus biete die ABS durchaus attraktive Konditionen. Nachhaltig aufgestellt ist die ADEV auch bei der Altersvorsorge: Sie liess sich als erste Kundin bei der nachhaltigen Pensionskasse Abendrot ­registrieren, die ebenfalls vor vierzig Jahren gegründet ­wurde.
Tribelhorn ist aber Zahlenmensch genug, dass er auch auf schwarze Abschlüsse achtet. Seit 2021 schliessen die Genossenschaft und alle fünf Teilgesellschaften mit einem Gewinn ab. Neben den vier Sparten gehört auch die Willy Gysin AG dazu, ein Liestaler Elektroinstallateurunternehmen, das in den Zehnerjahren finanziell ins Straucheln geraten war und von der ADEV übernommen wurde. Die ADEV trimmte den Traditionsbetrieb erfolgreich auf Photovoltaik.

Dezentral und demokratisch 
Ende 2023 betrug die installierte PV-Leistung 13 Megawatt, innerhalb der letzten 15 Monate wurden mehrere PV-Anlagen neu gebaut und in Betrieb genommen, was die Leistung um 50 Prozent erhöhte. Ganz so rasant soll das Wachstum nicht weitergehen, betont Tribelhorn, aber zwei bis drei Megawatt jedes Jahr lägen drin. Immer mal wieder erhält die Genossenschaft das Angebot, ein Kleinwasserkraftwerk zu übernehmen. Zudem ist sie daran, die bestehenden Werke fischgängig zu machen: Laut dem Gewässerschutzgesetz müssen schweizweit bis 2030 die Hindernisse für die Fischwanderung ausgeräumt sein, wobei der Bund die Finanzierung übernimmt. Auch neue Kleinwasserkraftwerke klärt die ADEV ab, aktuell etwa an der Birs. «Sowohl mit Pro ­Natura, die mit einem Direktdarlehen an der ADEV ­beteiligt ist, als auch mit dem WWF suchen wir jeweils bei neuen Projekten das Gespräch, um uns auf Ausgleichsmassnahmen oder andere Kompromisse zu verständigen», erklärt Tribelhorn. Beim Windstrom geht die ADEV in die Offensive: Erstmals hat sie eine Vollzeitstelle geschaffen, um neue Windanlagen professionell voranzutreiben. Einen eigentlichen Boom erwartet Tribelhorn im Bereich Ökowärme: «Viele Gemeinden streben netto null an.» Statt Holz nutzt die ADEV vermehrt industrielle Abwärme, etwa aus Abwasserreinigungsanlagen, aktuell zum Beispiel bei einem Projekt in Basel-Stadt. Zudem installiert sie in grossem Stil Erdsonden, der Strom kommt von PV-Anlagen auf dem Dach der jeweiligen Liegenschaften.
Mit ihrem vielfältigen Portfolio an Erneuerbaren sei die ADEV in der Schweiz einzigartig, betont Tribelhorn. Auch seien hierzulande nur wenige Energieversorger so demokratisch aufgestellt – der Genossenschaftsanteilschein kostet 500 Franken, eine Aktie etwas weniger. Doch um Dividenden geht es ohnehin den wenigsten Anlegerinnen und Genossenschaftern. Wie schon bei der Gründung sind auch heute noch viele, die in der ADEV-Energiegenossenschaft investiert sind, aus ideellen Gründen dabei. 

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