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13.03.2019 von Miriam Suter

Wo Frauen im Zentrum stehen

Von der basisdemokratischen Autonomie zur AG: Das Frauenzentrum Zürich hat eine lange und bewegte ­Geschichte hinter sich. Heute beheimatet das ­Zentrum in ­Zürich Wiedikon einen vielfältigen Mix aus Unternehmen, Projekten und Veranstaltungen.


Beitrag der ABS
Artikel in Thema Frauen und Geld
«Als uns 1999 die städtischen Subventionen gestrichen wurden, haben wir uns für die Flucht nach vorn ent­schieden», sagt Regula Bickel. Die 63-Jährige bildet zusammen mit Ines Bauer und Cornelia Jacomet den ­Verwaltungsrat der Frauen im Zentrum AG, deren ­Gebäude heute an der Bremgartnerstrasse in Zürich Wiedikon liegt. Bis hierhin war es ein langer Weg für das Frauenzentrum. Die beiden Verwaltungsrätinnen ­Regula Bickel und Ines Bauer sitzen zusammen im «­Roten Raum» des Zentrums und erzählen von seiner ­bewegten Geschichte.

«Verwegen, kühn, erfolgreich»

Das Autonome Frauenzentrum (FZ) wurde 1974 von der Frauenbefreiungsbewegung (FBB) gegründet. ­Zunächst war es an der Lavaterstrasse in Zürich Enge ­beheimatet, in einer besetzten Liegenschaft, die ­später abgebrochen wurde. 1981 zügelte es an die Mattengasse im Kreis 5. In seinen Anfängen bot das ­Frauenzentrum Platz für Projekte wie die «Fraue-Zitig» (FraZ) oder die Homosexuelle Frauengruppe (HFG), und aus der Arbeitsgruppe «Gewalt gegen Frauen» ging ­später das Frauenhaus zum Schutz misshandelter Frauen hervor. Im Lauf der 1980er-Jahre folgten zahlreiche neue Projekte: eine Lesbenbibliothek, das Restaurant Pudding Palace, ein Nottelefon für vergewaltigte ­Frauen, ein Verein für Selbstverteidigung, eine Velowerkstatt, ein Musikraum und viele mehr. Finanziert wurde das Zentrum mit städtischen Subventionen – bis die SVP Zürich im Juni 1999 mit einem Referendum dafür sorgte, dass diese Unterstützung gestrichen wurde.
Als Reaktion darauf lancierte der Verein Frauenzen­trum Zürich im Februar 2000 ein Projekt, um nachhal­tigen Frauenraum in der Stadt Zürich zu schaffen. Unter dem Motto «verwegen, kühn, erfolgreich» starteten die Frauen eine Geldsammelaktion und gründeten die Frauen Dienstleistungs-, Gewerbe- und Kulturzentrum AG mit rund 200 Aktionärinnen. «Wir haben damals einige Häuser angeschaut, die uns gefallen hätten. Am Stauf­facher, beim Sihlcity, aber schlussendlich gabs immer ­etwas, das nicht gepasst hat», erzählt Bickel. Nach fast fünfjähriger Suche passte es dann endlich: 2005 konnte die AG an der Bremgartnerstrasse 18, mitten in Zürich ­Wiedikon, eine geeignete Liegenschaft kaufen. Das Gebäude war früher ein Gewerbehaus, hier wurden ­Dächer gebaut: «Es war ein Riesenchaos, als wir uns das erste Mal umgeschaut haben», erzählt Bickel. Nach den notwendigen Sanierungen konnten 2008 die ­Mieterinnen einziehen.
Die Liegenschaft umfasst rund 1200 Quadratmeter Wohn- und Gewerbefläche und beherbergt heute unter anderem das Büro des Vereins Frauenstadtrundgang, ein Institut für Craniosacraltherapie, ein Flamenco-Atelier für Frauen und junge Mädchen, ein Yoga-Atelier und das Restaurant Wirtschaft im Franz. Im «Roten Raum» finden seit 2013 regelmässige Veranstaltungsreihen statt für die Aktionärinnen der inzwischen in «Frauen im Zen­trum» umbenannten AG und sonstige Besucherinnen – ganz im Geiste des früheren Frauenzentrums. Jeweils am Donnerstag steht der Raum exklusiv für öffentliche ­Frauenveranstaltungen zur Verfügung. Es gibt regelmässig Filmvorführungen – aktuell zum Thema «Frauen im Fokus» – präsentiert vom «Wybernet», dem schweizerischen Netzwerk lesbischer Fachfrauen. Und eine Gesprächsreihe «Rotes Palaver», wo in kleiner Runde über feministische Kunst diskutiert wird. Daneben gibts ­Einzelveranstaltungen wie politische Diskussionsabende und Lesungen.

Vom basisdemokratischen Verein zur Aktiengesellschaft

«Dass wir es damals geschafft haben, 200 Frauen zu finden, die je mindestens 500 Franken investierten, war ­alles andere als selbstverständlich. Für viele Frauen war das viel Geld», sagt Ines Bauer. «Dieses Kapital war aber nötig, um das Haus zu kaufen. Und mit einer Hypothek wurde es auf den heutigen Stand gebracht.» Die 63-jährige Chorleiterin erzählt weiter, dass für die zweite Sanierung des Gebäudes, die letztes Jahr stattgefunden hat, gezielt nach einer Architektin und einer Bauleiterin gesucht wurde: «Mit Dominique Lorenz und ihrer Firma Met Architektur GmbH, welche die GmbH dierealisatorin.ch mit der Bauleitung beauftragt hat, haben wir tolle Partnerinnen gefunden. Dominique Lorenz hatte schon die Innensanierung 2007/8 als Architektin begleitet.» In einem zweiten Schritt wurde nun die Fassade energetisch isoliert.
Verwaltungsrätin einer AG zu sein, bedeute laut ­Bauer, dass «frau Handlungs- und Entscheidungskompetenz sowie Gestaltungsfreiheit» hat. Der Umstieg von ­einer basisdemokratischen Organisation, üblich für feministische Gruppierungen der 1970er-Jahre, zu einer Aktiengesellschaft, wo das Stimmrecht sich nach der Kapitalbeteiligung richtet, sei für viele Frauen ein «Kulturschock» gewesen. Es gebe einige Frauen in der AG, die dem Geist der Frauenbewegung aus den 1970er-­Jahren nachtrauern. «Es ist hier im eigenen Haus an der Bremgartnerstrasse 18 eine andere Situation als im subventionierten FZ an der Mattengasse. Wir stehen nicht nur gegenüber unseren Aktionärinnen in der Verantwortung für die Verwendung der finanziellen Mittel, sondern auch für die Generierung derselben.» Die relativ starren rechtlichen Strukturen einer Aktiengesellschaft sind so festgelegt, dass das investierte Kapital der Aktionärinnen möglichst gesichert ist. Die Frauen im Zentrum AG zahlt keine Dividenden an ihre Aktionärinnen. Dafür leistet sich die AG den «Roten Raum», den die Aktionä­rinnen günstig oder gratis nutzen können. «Dadurch können wir diese Veranstaltungen für unsere Ak­tionärinnen durchführen, und der Raum fungiert so als eine Art ­Gewinnausschüttung», erklärt Bauer.

Eine Bank, die zum Zentrum passt

Die kürzlich erfolgte energetische Sanierung der Fassade konnte einerseits aus den angesparten Mitteln und andererseits dank eines Hypokredits der Alternativen Bank Schweiz realisiert werden. Früher hatte die AG eine andere Hausbank. Warum der Wechsel? «Nun, uns war es wichtig, dass wir mit einer Bank zusammenarbeiten, die zu uns passt», sagt Bickel. Die Alternative Bank strebt als einzige Schweizer Bank in ihren Statuten ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung an. Der Wechsel verlangte den Verwaltungsrätinnen aber einiges an Hartnäckigkeit ab: «Als AG die Bank zu wechseln, ist in der Schweiz komplizierter, als sich scheiden zu lassen!»

Neue Aktionärinnen gesucht

Die Frauen im Zentrum AG spricht vor allem Frauen aus den Bereichen Dienstleistung, Kultur, Gewerbe und ­Bildung an. Auf ihrer Website heisst es, zu ihren Zielen gehöre das «Praktizieren feministischer Werte wie ­Selbstbestimmung, Wahrnehmung und Achtsamkeit ­gegenüber sozialer und kultureller Differenz». Wie sieht ihr Angebot für arme und mittellose Frauen aus? «Momentan haben wir noch kein konkretes Konzept für eine Querfinanzierung entsprechender Angebote», sagt ­Bauer. Es sei aber durchaus angedacht. Was die Verwaltungsrätinnen momentan mehr beschäftigt: Es gibt Aktionärinnen, die Aktien verkaufen möchten. Die AG möchte neue Aktionärinnen gewinnen, in der Öffentlichkeit mit ihren Anliegen stärker wahrgenommen werden und ihre Ressource, den «Roten Raum», vielfältiger nutzen. Das neue Erscheinungsbild, die neue Website, eine Statutenrevision, eine neue Hausbank – all dies ­motiviert dazu, am Samstag, 29. Juni 2019, in der energetisch sanierten Liegenschaft einen Tag der offenen Tür zu veranstalten.
Die Verwaltungsrätinnen sind überzeugt: Das Be­dürfnis nach einem Ort zum Austausch unter Frauen wird neu erwachen, beispielsweise unter den Aktionärinnen, die vorwiegend einer Generation angehören, die nun ins Pensionsalter kommt. Da braucht es entsprechende neue Angebote für Frauen über 60. Der «Rote Raum» könnte ein solches Angebot werden. «Ich selber ­gehe abends ja auch nicht mehr in die Disco», erzählt ­Bickel, «aber wer weiss, vielleicht veranstalte ich dann nach ­meiner Pensionierung hier einen ‹thé dansant› am Nachmittag für Rentnerinnen.»
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