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17.03.2021 von Roland Fischer

«Ich weiss ja selbst nicht, was Geld ist»

Die Künstlerin Nika Dubrovsky und der Ökonom Michael Hudson arbeiten an einem Buch über Geld. Es ist Teil einer Reihe, die komplexe Themen für Kinder aufbereitet. Entstanden ist die Idee durch Nika Dubrovskys Mitarbeit an «Schulden: Die ersten 5000 Jahre» von David Graeber, ihrem kürzlich verstorbenen Ehemann.

Artikel in Thema Kind und Geld
Nika Dubrovsky, geboren 1967 in Leningrad/St. Petersburg, ist Künstlerin, Autorin und Aktivistin. Sie lebt in London und ist Herausgeberin von «Anthropology for Kids». «Money», das Buch zu Geld, wird voraussichtlich im Mai
moneta: Nika Dubrovsky, was ist «Anthropology for Kids»?
Nika Dubrovsky: Ein Kinderbuchprojekt, das vor gut 15 Jahren startete. Eigentlich war es zu Beginn eine Konversation zwischen mir und zwei Männern: meinem damals sechsjährigen Sohn einerseits und David Graeber andererseits. David und ich hatten uns eben erst kennengelernt. Ich lebte damals in New York, und er war ein Nachbar. Er schickte mir bald ein Kapitel nach dem anderen seines Manuskripts von «Schulden: Die ersten 5000 Jahre», und ich führte über die Lektüre in einem Blog eine Art Tagebuch. Bald kamen Fragen von Leserinnen und Lesern, ich versuchte, einfache Antworten zu finden, in Rücksprache mit David – so fing das an.

Und wie kamen die Kids mit hinein?
Mein Sohn begann gerade erst zu lesen. Ich erinnere mich, wie ich ihm ein Buch über Piraten kaufte – die ersten anarchischen Gemeinschaften im Grunde. Aber weder er noch ich mochten das Buch, es war irgendwie von Erwachsenen für Erwachsene geschrieben, die sich wieder zu Kindern machen wollten. Da kam der Gedanke auf, «richtige» Bücher für Kinder zu schreiben, über all die «richtigen» Themen wie Familie, Tod, Sprache, Schönheit …

 ... und eben: Geld. 
Ja. Das Buch «Money» ist noch in Arbeit, bei einem Kollektiv von Leuten, die sich mit dem Thema wirklich auskennen.

Michael Hudson schaltet sich überraschend im Zoom dazu – er ist einer der Autoren von «Money» für Kinder und erklärt wortreich, welche komplett anderen Geldsysteme es in der Weltgeschichte gab, e


Michael Hudson, warum sollte man auch Kindern solch anspruchsvolle Themen erklären? Und vor allem – wie macht man das? 

Michael Hudson: Kinder verstehen das. Man muss ihnen das gesellschaftliche System miterklären, in das Geld eingebunden ist. Dann können sie auch besser verstehen, wie unser marktwirtschaftliches System funktioniert. Auf einen Kürzestnenner gebracht: Das erste Geld war Korn. So gab es einmal im Jahr Geld, zur Ernte. Das bringt einen zum Nachdenken, oder?
Michael Hudson ist Wirtschaftswissenschaftler, Professor an der University of Missouri, Kansas City, sowie Finanzanalyst und Präsident des Institute for the Study of Long-Term Economic Trends (Islet). Foto: zvg
Nika Dubrovsky: Ich würde gern auf das Warum antworten. Es geht uns generell darum, einen Raum zu schaffen, um akademisches Wissen einer breiten Leserschaft nahezubringen. Mit unserer Buchreihe möchten wir auch jungen Menschen Zugang zu diesem Raum geben. Sonst ist es ja so, dass sie zu diesen Diskussionen erst zugelassen werden, wenn sie an der Universität sind – das ist reichlich spät und reichlich elitär. Ein Wort auch noch dazu, wie wirs vermitteln: Im Grunde bin ich das Kind im Redaktionsprozess. Ich frage die einfachen Fragen – ich weiss ja selbst nicht, was Geld ist. 

Haben Sie Vorbilder für diese Arbeit?
Für mich sind Sowjet-Kinderbücher eine wichtige Referenz. Da arbeiteten Intellektuelle eng mit Künstlern zusammen, um der Gesellschaft neue Wertesysteme zu vermitteln – der Maler Kasimir Malewitsch beispielsweise, eine der Leitfiguren der Avantgarde-Kunst, engagierte sich diesbezüglich stark. Sehr oft resultierten dabei wunderbar gestaltete Kinderbücher, die komplizierte Themen in einfache Tableaus brachten.

Michael Hudson hat die historische Perspektive betont. Welche Rolle spielen andere Kulturen in Ihrem Buch zu Geld?
Die kulturelle Vielfalt zu beleuchten, ist uns wichtig. Wir alle meinen ja, die Antwort auf die Frage zu kennen, was Geld ist. Dabei vergessen wir, dass unsere Antwort nicht die einzige ist. Und eigentlich noch wichtiger: Ich bin überzeugt, dass die Antwort, die Kinder in unserem marktwirtschaftlichen Kontext lernen, eine komplett falsche ist. 

Warum?
Wir leben in einer Zeit, in der es unweigerlich zu umwälzenden Veränderungen kommen wird – ich hoffe sehr, dass sie nicht katastrophal ausfallen werden. Und die gesellschaftsökonomischen Erklärungen, die wir zur Hand haben, funktionieren offensichtlich nicht. Es braucht also dringend andere Erzählungen, um gut in diese Zukunft zu kommen – diese sollten wir schon unseren Kindern mitgeben. Die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen kann Alternativen aufzeigen.
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