Anita Wymann präsidierte den Verwaltungsrat der ABS von 2016 bis zum 23. Mai 2025. Die neue Präsidentin des Verwaltungsrats ist Valérie Anouk Clapasson. Die beiden sprachen im Interview Anfang 2025 über prägende Ereignisse, mutige Entscheidungen und die Zukunft des wertebasierten Bankings.
Anita Wymann, wenn du auf die letzten Jahre zurückblickst, hat sich bei der ABS in Bezug auf Wertetreue und Konsequenz etwas verändert?
Anita Wymann Wir sind unseren Grundwerten treu geblieben, diskutieren sie aber immer wieder und nehmen nötige Anpassungen vor. Damals wie heute wird die Bank von Menschen getragen, die die Schweiz anders sehen, die sie sich solidarischer und ökologischer wünschen, die sie verantwortlicher sehen und dies auch gegenüber der Welt.
Valérie Anouk Clapasson Besonders bemerkenswert finde ich, dass in letzter Zeit viele junge Mitarbeitende zu uns gekommen sind, die sowohl ein hohes Fachwissen mitbringen als auch konsequent hinter den ABS-Werten stehen und uns mit frischen Ideen herausfordern. Sie wählen uns bewusst wegen unserer Wertebasis — auch wenn sie bei uns zwar gute Arbeitsbedingungen, aber nicht die höchsten Gehälter finden, wie es bei traditionellen Banken der Fall wäre.
Anita Wymann In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass wir seit rund 18 Jahren Lernende ausbilden. Für mich ist das eine wichtige Art, Verantwortung zu übernehmen.
Valérie Anouk Clapasson Absolut. Der Berufseinstieg bei der ABS hat wahrscheinlich einen Einfluss auf die gesamte Karriere der Mitarbeitenden. Wenn sie später in ihrem Berufsleben zu anderen Banken wechseln, tragen sie die ABS-Werte weiter.
Welche Errungenschaften oder Entwicklungen aus deiner ABS-Zeit liegen dir besonders am Herzen?
Anita Wymann Für mich zählt das Ganze: Es freut mich, dass die ABS heute da steht, wo sie steht. Dazu waren in den letzten Jahren unkonventionelle und auch mutige Entscheidungen nötig, wie etwa die Einführung der Negativzinsen oder als kleine Bank einen eigenen Fonds zu lancieren, und dass wir in schwierigen Jahren auch mal wenig oder keine Dividende ausschütteten, was das Aktionariat stets unterstützt hat. Vielen ist es wichtiger, was wir tun mit dem Aktienkapital und weniger, wie viel Dividende sie erhalten. Dass wir vor 16 Jahren bei der Global Alliance for Banking on Values (GABV) als Gründungsmitglied dabei waren, war auch wichtig. Wir haben uns dazu bekannt, international mit anderen werteverwandten Banken zusammenzuarbeiten, und konnten uns so ein gutes Beziehungsnetz aufbauen.
Valérie, wie siehst du die Zukunft der ABS und die Chancen des wertebasierten Bankings in der Schweiz?
Valérie Anouk Clapasson In den letzten Jahren wurde immer deutlicher und spürbarer, welche Konsequenzen unsere Lebensweise für die Menschen und den Planeten hat. Wir erleben multiple Krisen – von der Pandemie über Klimakatastrophen bis zu Kriegen in Europa. Wertebasiertes Banking kann hier entgegenwirken, indem finanzielle Mittel von schädlichen Projekten zu solchen umgelenkt werden, die der Welt nützen. Genau das macht die ABS – und das ist unsere Chance. Besonders hoffnungsvoll stimmt mich, dass viele junge Menschen sich intensiv mit der Weltlage befassen. Für sie können wir Vorbild sein und zeigen, wie positive Veränderungen möglich sind.
Anita, siehst du das ähnlich?
Anita Wymann Viele Themen, die zur Gründung der ABS geführt haben, sind heute tatsächlich in der Breite der Gesellschaft angekommen. Allerdings frustriert es mich, dass es in der Schweizer Politik immer noch Leute gibt, die behaupten, die Klimaerhitzung sei nicht menschengemacht. Es gibt also immer noch Menschen, die ihre Verantwortung nicht sehen und nicht wahrnehmen wollen. Umso wichtiger ist es, dass die ABS konsequent und mutig vorangeht, um die nachhaltige Transformation voranzutreiben.
Was dürfen wir von deiner Amtszeit erwarten?
Valérie Anouk Clapasson Ich und das ganze Team werden darauf achten, dass die Werte der ABS weiterhin im Zentrum stehen und die Bank sich gleichzeitig weiterentwickelt. Wir müssen uns fragen: Welche Angebote braucht es heute und in Zukunft für eine lebenswerte Welt? Meine Vision ist, dass unsere Art des Bankings in der Schweiz zur Selbstverständlichkeit wird.
Auf was muss die ABS künftig achten?
Valérie Anouk Clapasson Wir müssen uns einerseits stabil aufstellen mit effizienten Prozessen und agil bleiben. Andererseits ist wichtig, dass wir unsere Prozesse und Strukturen laufend entlang den regulatorischen Änderungen entwickeln und unsere Governance-Struktur stark und transparent halten. Darüber hinaus braucht es den ständigen Dialog mit unserer Kundschaft und dem Aktionariat. Wenn wir neue Produkte entwickeln oder einführen, sollen diese auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sein und gleichzeitig unsere Werte fördern. Zudem sollte sich die ABS als Alltagsbank noch weiterentwickeln und zugänglicher werden, sodass sie die alltäglichen Bedürfnisse an eine Bank gut und effizient erfüllen kann.
Anita, was möchtest du dem ABS-Team mit auf den Weg geben?
Anita Wymann Zuerst einmal: Danke! Danke für das tägliche Engagement aller, die Teil dieser Community sind. Mein Wunsch an euch: Bleibt den Werten treu, auch wenn es finanziell eng wird und ein rauer Wind weht. Scheut unpopuläre Entscheidungen nicht und bleibt unbequem. Lasst euch nicht vom System vereinnahmen, sondern bleibt eine echte Alternative. Ich wünsche euch, dass ihr aus eurem Engagement viel Freude und Energie schöpfen könnt, weil ihr immer wieder seht, dass ihr etwas bewirkt.
Dieses Interview erschien in einer längeren Version im Geschäftsbericht 2024 der Alternativen Bank Schweiz: abs.ch/gb2024-interview
Ein ausführliches Porträt der neuen ABS-Verwaltungsratspräsidentin Valérie Anouk Clapasson finden Sie hier: moneta.ch/clapasson