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01.12.2017 von Michael Staub

Messbar anders

Mit der «Sustainable Banking Scorecard» können alle Banken auf ihre Nachhaltigkeit hin geprüft werden. Die Untersuchungen der letzten Jahre zeigen, dass sozial-ökologische Banken die Realwirtschaft besser unterstützen als die systemrelevanten Grossbanken, und stabile Gewinne erzielen.

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Illustraton: artischock
Wie in den meisten Wirtschaftszweigen sind in der Finanzbranche spezielle Nachhaltigkeitsberichte üblich. Jedoch kranken die gängigen Standards für solche Berichte an einem Mangel: Sie berücksichtigen nur, wie ein Unternehmen arbeitet, und nicht, was sein Ziel ist. Zudem sind die Kriterien der Bewertung, also die Indikatoren für die Nachhaltigkeit, nur bedingt durchschaubar. Relevante und vergleichbare Indikatoren sind jedoch zentral, denn die Geschäftsentscheidungen von Banken zeitigen eine grosse Wirkung. Die von ihnen gesteuerten Geldflüsse entscheiden massgeblich darüber, wie sich Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft entwickeln. Ein Anlagefonds für Rüstungs- oder Nanotechfirmen wird diese Entwicklung anders prägen als ein Fonds für Mikrokredite oder erneuerbare Energien.

Spezielles Messinstrument

Damit Banken bezüglich Nachhaltigkeit vergleichbar sind, hat die GABV vor einigen Jahren die Sustainable Banking Scorecard, entwickelt. Mit der Scorecard kann jede Bank selbst messen, wie nachhaltig ihre Geschäftstätigkeit ist. Betrachtet wird das gesamte Bankgeschäft, neben dem Kredit- und Sparbereich also auch das Anlagegeschäft. Drei zentrale Aspekte der Untersuchung sind:
  • Sozial-ökologische Wirkung. Jedes Bankgeschäft soll sich positiv auf Gesellschaft und Umwelt auswirken. Diese positive Auswirkung wird ausdrücklich verlangt, die reine Schadensminimierung reicht nicht.
  • Realwirtschaftlichkeit. Die Gelder sollen vor allem der Realwirtschaft zugutekommen, etwa in Form von Krediten. Weniger günstig werden reine Finanzwirtschaftsgeschäfte beurteilt. Darunter fallen zum Beispiel kurzfristige Spekulationsgeschäfte.
  • Widerstandskraft («resilience»). Auch bei Erschütterungen oder Krisen im internationalen Finanzsystem soll die Bank widerstandsfähig sein. Wenn sie ihre Geschäfte und Kundenbeziehungen auf Gewinnsuffizienz anstatt Gewinnmaximierung ausgerichtet hat, sollte dies gelingen.
Die Alternative Bank Schweiz hat die Scorecard erstmals im Geschäftsjahr 2016 angewendet. Mit 96 von 100 möglichen Punkten erzielte sie ein sehr gutes Resultat, das von der GABV als «vorbildlich» gewürdigt wurde.

Klare Vorteile gegenüber Grossbanken

Die Scorecard ermöglicht den Vergleich von sozial-ökologischen Banken mit den weltweit systemrelevanten Finanzinstituten (Global Systemically Important Financial Institutions), die auch unter dem Namen «too big to fail» bekannt sind. Eine Ausnahme ist die sozial-ökologische Wirkung: Sie wird wohl von GABV-Mitgliedsbanken erhoben, nicht aber von Grossbanken. Die Realwirtschaftlichkeit lässt sich jedoch sehr wohl erheben. Bei den «too big to fail»-Banken betrug der Anteil von Krediten respektive Kundenguthaben an der gesamten Bilanzsumme jeweils gut 40 Prozent. Die GABV-Banken brachten es hingegen in beiden Punkten auf mehr als 70 Prozent. Sie sprachen also deutlich mehr Kredite für die Realwirtschaft und sicherten diese mit Kundenguthaben ab. Beides steht im Gegensatz zu den systemrelevanten Banken, die oft wegen ihrer restriktiven Kreditvergabe und ihrer mangelnden Widerstandskraft in der Kritik stehen. Der höhere Nutzen für die Realwirtschaft und die grössere Stabilität der GABV-Banken führen zu soliden Gewinnen. Während die systemrelevanten Banken eine durchschnittliche Rendite (Return on Equity) von 10,8 Prozent erzielten, brachten es die GABV-Banken auf 9,7 Prozent. Die oft unverhältnismässigen Risiken, die viele systemrelevante Banken eingingen, brachten also nur minimal höhere Gewinne. Als die GABV den Vergleich 2014 wiederholte, hatten nachhaltig orientierte Banken sogar die Konkurrenz geschlagen: Sie erzielten einen Gewinn von 8,6 Prozent, die systemrelevanten Banken erwirtschafteten dagegen 7,6 Prozent.

Nachhaltigkeit bewährt sich

Zehn Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise sind Stabilität und Krisenfestigkeit vieler Bankinstitute immer noch fraglich. Umso mehr fallen die soliden Renditen und die finanzielle Robustheit der nachhaltig orientierten Banken auf. «Beeindruckend sind die Jahr für Jahr konsistenten Zahlen», schreibt die GABV in ihrem jüngsten Bericht, «sie bestätigen das Geschäftsmodell nachhaltiger Banken mit ihren Investitionen in die Realwirtschaft. » Der neuste Bericht der GABV stammt von 2016. Wie er zeigt, haben sich die Unterschiede nochmals akzentuiert. Bei den nachhaltig orientierten Banken betrug der Anteil der vergebenen Kredite inzwischen 76,8 Prozent der Bilanzsumme, bei den systemrelevanten Banken waren es 41,6 Prozent. Die Kundenguthaben erreichten 81,7 Prozent der Bilanzsumme (nachhaltige Banken) respektive 52,2 Prozent (systemrelevante Banken). Nachhaltigkeit und Rentabilität stehen also nicht im Widerspruch, sondern im Einklang. Ein Grund mehr, bei Bankgeschäften soziale und ökologische Kriterien stark zu gewichten.

Nachhaltigkeit bei der ABS

Im Nachhaltigkeitsbericht legt die Alternative Bank Schweiz (ABS) jährlich Rechenschaft darüber ab, wie gut sie ihre eigenen Ansprüche punkto Nachhaltigkeit erfüllt. Seit 2016 kommt dabei die Methode der «Sustainable Banking Scorecard» zum Einsatz.

Ein Interview mit Anna-Valentina Cenariu, Leiterin der Fachstelle für Nachhaltigkeit bei der ABS, finden Sie hier.
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