moneta: Michel Huissoud, dank dem neuen Transparenz-Gesetz müssen Parteien in der Schweiz Gelder, die in ihre Wahl- und Abstimmungskampagnen fliessen, offenlegen. Sie kritisieren die Umsetzung. Warum?
Michel Huissoud Als Direktor der EFK konnte ich im Auftrag des Bundesrates das Transparenz-Gesetz umsetzen. So konnten wir ein robustes System aufbauen. Aber es ist nicht gut genug.
Warum nicht?
Das erste Problem war: Das Gesetz verlangt klar eine Kontrolle – aber in der Verordnung sollte auf Geheiss des EJPD nichts mehr von Kontrolle stehen. Wir sagten: Das Gesetz kann nur vollzogen werden, indem Buchhaltungen und Bankkonti vor Ort geprüft werden. Das konnten wir durchsetzen.
Aber?
Bei einer zweiten wichtigen Frage hatten wir keinen Erfolg, nämlich: Was macht die EFK, wenn sie bei einer Kontrolle feststellt, dass eine Partei einen wichtigen Betrag nicht deklariert hat? Die EFK muss das der kantonalen Strafverfolgung melden. Aber soll sie die falsche oder unvollständige Information öffentlich machen? Darf sie die falschen Angaben korrigieren und darauf hinweisen, dass sie eine Strafanzeige eingereicht hat? Wir forderten diese Kompetenzen, erhielten sie aber nicht. Man nimmt also in Kauf, dass die publizierten Angaben unvollständig oder gar falsch sind. Das ist nicht im Sinn der Transparenz!
Sie sind inzwischen pensioniert, verlangen aber weiterhin, dass die Kontrollberichte veröffentlicht werden.
Ja! Alles andere dient der Verschleierung. Ich gelangte zusammen mit dem «Beobachter» an den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten. Mittels Öffentlichkeitsgesetz verlangen wir die Herausgabe der Kontrollberichte der EFK. Aktuell warten wir auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.
Als die ersten offiziellen Zahlen veröffentlicht wurden, sah es so aus, als erhielte ausgerechnet die SP am meisten Spenden. Wie konnte das sein?
Das hat damit zu tun, wie die Parteien in der Schweiz organisiert sind, wie zentral oder dezentral. Klar ist auch: Wenn Geld von Spenderinnen und Spendern via Stiftung oder Verein zu einer Partei fliesst, verliert sich jede Spur. Die EFK hat keine Kompetenz, zu prüfen, woher das Geld tatsächlich kommt.
Die Rangliste ist also milde gesagt nicht ganz ernst zu nehmen?
Ja. Ein weiterer Mangel ist, dass man bei der Lancierung einer Initiative erst transparenzpflichtig ist, wenn die Abstimmungskampagne startet. Für alles Geld, das vorher schon für die Initiative gesammelt wurde, gibt es keine Transparenzanforderung.
Unter dem Strich: Was bringt das neue Gesetz überhaupt?
Es ist wie ein Setzling, aus dem heraus es sich weiterentwickeln soll. Mit Beat Jans im EJPD kann es jetzt vielleicht besser werden. Heute bringt es Transparenz in Bezug auf die Leute, die ehrlich sind. Aber bei allen, die Geldflüsse verstecken wollen, greift es meines Erachtens nicht.
Wie gelangen wir ganz allgemein zu einer sauberen Finanzierung der Politik?
Indem Parlamentarierinnen und Parlamentarier voll entlöhnt werden für ihr politisches Mandat und es ihnen gleichzeitig untersagt ist, einer anderen Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Also ein Paradigmenwechsel weg vom Miliz- hin zum Berufsparlament?
Ja.
Sie mussten mit Ihrer Pensionierung Macht abgeben. Tun Sie sich schwer damit?
Ja, klar! Wenn mich etwas stört, muss ich dagegen kämpfen können – jetzt eben nicht mehr mit einer Panzerdivision, sondern mit einem Taschenmesser.
Woher kommt Ihre anwaltschaftliche Haltung für Steuerzahlende?
Ich glaube, das geht zurück auf meine frühere Tätigkeit in der Steuerverwaltung in Genf. Ich sah selbständige Gewerbetätige weinend im Büro stehen, weil sie ihre Steuern kaum bezahlen konnten. Wenn man das erlebt hat, erträgt man unwirksame Bürokratie, Leerläufe, überhauptGeldverschwendung weniger gut.
Ich habe gelesen, Sie verstünden sich als Anarchist. Stimmt das?
Das hatte ich gesagt. Ich bin aber für einen starken Staat, der die Schwachen vor den Starken und Mächtigen schützt. Also kein klassischer Anarchist (lacht).