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23.09.2020 von Anita Wymann

Er bewarb sich zu spät – er war kein Banker – er war keine Frau

Ende Juni hat Martin Rohner nach acht­einhalb Jahren als Vorsitzender der Geschäftsleitung die ABS verlassen, um die operative Leitung eines weltweiten Netzwerkes werteorientierter Banken zu übernehmen, der Global Alliance for ­Banking on Values.
Eine Würdigung von Anita Wymann, Präsidentin des Verwaltungsrates der ABS.


Beitrag der ABS
Artikel in Thema Kunst und Geld
Anita Wymann, Präsi­dentin des ABS-Ver­waltungsrates, und ­Martin Rohner, bis Ende Juni ­Vorsitzender der ­Geschäftsleitung, waren über acht Jahre ge­meinsam für die ABS ­unterwegs. Foto: Wolf Fotografie AG, Olten
Martin Rohners Einstieg bei der ABS war ausserge­wöhnlich. Wer sich nur für Fakten interessiert, hätte seiner Bewerbung nicht allzu grosse Chancen gegeben: Diese ging erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist bei uns ein. Gesucht war eine Fachperson aus dem Kredit- oder Anlagebereich. Das war Martin ganz klar nicht. Und eigentlich suchten wir eine Frau. Auch dieses Kriterium wurde augenfällig nicht erfüllt. Hätte damals ein Computer die Erstauswahl getroffen, Martins Bewerbung wäre wohl schnell vom Tisch gewesen.
Was hat uns dennoch dazu bewogen, Martin diese wichtige Aufgabe anzuvertrauen? Es waren zum ­einen seine Werteverwandtschaft und seine Führungs­erfahrung, zuletzt als Geschäftsführer der Max-Have­l­aar-Stiftung. Er war Ökonom und als solcher für den Bund international tätig gewesen, zudem erfahren im Mar­keting. Er war von der ABS fasziniert und skizzierte inter­essante Ansätze für deren Weiterentwicklung. ­Martin war ein spannender Gesprächspartner und äusserte sich offen zu Schwächen, die er an sich selbst ­wahrnahm – und dazu, wie er an ihnen arbeiten wollte.

Mutige Meilensteine

2012 übernahm Martin den Vorsitz der Geschäftsleitung in der ABS. In den folgenden achteinhalb Jahren brachte er wichtige Veränderungen auf den Weg: Eine Neu­organisation der Bank in vier Geschäftsbereichen stärkte die Unternehmensentwicklung. Die ABS erhielt einen von Grund auf erneuerten Aussenauftritt. Dank neuer Standorte in Zürich, Genf und Lausanne hat die ABS heute passende und moderne Räumlichkeiten, um ihre Kundschaft zu empfangen.
2012 und die Folgejahre waren geprägt von den ­Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Mit zwei wichtigen Massnahmen verbesserte Martin mit seinem Team die Lage der ABS markant: Ab 2013 fanden sie den Ausweg aus der Eigenmittelknappheit, welche die Bank über Jahre hinweg eingeschränkt hatte. Erstmals gab es mit dem Alltagskonto Plus ein Angebot, das mit Vergünstigungen einen finanziellen Anreiz setzte, ABS-Aktien zu zeichnen. Zusätzlich brachte ­eine breit angelegte Aktienkampagne der ABS Eigen­mittel in bisher unbekannter Höhe. Dadurch wurde die Finanzierung von grösseren Projekten im genossenschaftlichen Wohnbau möglich, denn die gesetzlich ­vorgeschriebenen Vergabe-Limiten erhöhten sich dank der zusätzlichen Eigenmittel. Für die ABS war dies eine Befreiung aus einem viel zu engen Korsett.
Die Einführung der Negativzinsen 2015 war ein Meilenstein, bei dem verschiedene Stärken von Martin ihre Wirkung entfalteten: Gemeinsam mit den Teams aus verschiedenen Bereichen der Bank erarbeitete er nach sorgfältiger Analyse der Situation mögliche Lösungen. Als es an die Umsetzung ging, wurde diese – an sich unangenehme – Veränderung von einer starken Kommunikation begleitet. Aber auch Martin hätte sich wohl nicht träumen lassen, dass er mit den Negativzinsen die grösste Medienresonanz auf seine Tätigkeit bei der ABS erzielen sollte.
In den letzten vier Jahren seiner Amtszeit entwi­ckelte Martin gemeinsam mit dem Team auch neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsfelder: Die ­Einführung der Online-Kontoeröffnung war ein zentraler Schritt in der Digitalisierung der ABS. Die Lancierung des ersten ABS-Anlagefonds und der Auslandsstrategie sowie die erfolgreiche Ausrichtung der Jahreskonferenz der Global Alliance for Banking on Values (GABV) 2020 sind weitere wichtige Ereignisse, die Martins ­Wirkungszeit bei uns prägten.
Sein Abschied lässt mich mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück. Lachend, weil ich seine Entscheidung für die GABV gut nachvollziehen kann und mich freue, dass Martin dem werteverwandten Banking erhalten bleibt. Das weinende Auge schaut ­darauf, dass für die ABS eine Ära zu Ende geht, die ich schmerzlich vermissen werde.
Ich bin Martin dankbar für die intensive Zusammen­arbeit, sein Engagement und zielgerichtetes Arbeiten. Sein Blick nach innen in die Bank und nach aussen in die Gesellschaft waren für die ABS sehr wichtig. Ich wünsche Martin für seine berufliche und private Zukunft von Herzen alles Gute.
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