1290
13.03.2019 von Martin Bieri

«Die Männer würde es wenig schmerzen, etwas abzugeben»

Kaum irgendwo ist der Geschlechterunterschied bei den Einkommen so krass wie bei den Fussballprofis. Lia Wälti kennt die Diskussion zur ­Genüge – und fühlt sich persönlich dennoch privilegiert.

Artikel in Thema Frauen und Geld
Foto: SFV/KEYSTONE/Gaëtan Bally
moneta: Lia Wälti, Sie spielen als Profi beim renommierten Arsenal FC in ­London. Was bedeutet das finanziell?
Lia Wälti: Ich kann vom Fussball leben, ohne reich zu werden. In der Schweiz wäre das nicht möglich. Auch hier in England gibt es Amateurinnen in der obersten Liga, gleichzeitig aber Spielerinnen, die pro Monat ­einen fünfstelligen Betrag erhalten.

Haben Sie noch andere Verdienst­möglichkeiten?
Kaum. Der Verein stellt mir ein Auto und ­eine Wohnung zu Verfügung. Der Schweizer Fussballverband entschädigt mich für die Zeit, die ich mit der Nationalmannschaft verbringe. Ich habe einen Sponsoringvertrag mit einem Ausrüster, der mir Kleider und Schuhe überlässt.

Kennen Sie Ihren eigenen Marktwert?
Nein. Ich handle meine Verträge nicht selbst aus, dafür habe ich einen Berater. Ich verstehe nichts davon und wäre zu weich, um gut zu verhandeln. Natürlich weiss ich, dass ich mit besseren Leistungen mehr wert bin, und es ist mein Ziel, mit jedem Vertrag, den ich unterschreibe, etwas mehr zu verdienen.

Wofür werden Berufssportler eigentlich bezahlt?
Ich frage mich das auch und habe manchmal Mühe, mich als Profi zu bezeichnen, weil ich nicht sicher bin, ob das wirklich ein Beruf ist. Allerdings opfere ich viel für den Fussball und ordne ihm alles unter. Ich investiere vermutlich mehr Zeit, als wenn ich einen gewöhnlichen Beruf hätte. Freie Wochenenden oder Abende habe ich keine, darunter leidet das soziale Umfeld.

Verstehen Sie sich als Angestellte des Vereins oder als Ich-AG?
Ich bin keine Unternehmerin in eigener Sache. Vielleicht sollte ich mich so sehen, um noch mehr zu erreichen. Aber ich bin Teil ­eines Teams und Angestellte, wenn auch ­eine mit besonders viel Verantwortung, denn wir sind die Aushängeschilder des ­Vereins.

Müssen Sie oft über Unterschiede ­zwischen Frauen- und Männerfussball Auskunft geben?
Sehr oft. Ich gebe immer die gleiche Antwort: Ich will das nicht vergleichen, weil ­Vergleiche immer nachteilig für den Frauenfussball ausgelegt werden. Dabei ist es ja der gleiche Sport. In ökonomischer Hinsicht hingegen haben die beiden Welten nichts miteinander zu tun. Wenn schon, ­wäre es sinnvoller, den Frauenfussball mit dem Hand- oder Volleyball in Relation zu setzen. Verglichen mit den Männern in diesen Sportarten, stehen wir Fussballerinnen nämlich nicht schlecht da.

Männer verdienen im Fussball ein ­X-Faches der Frauen. Ist dieser Unterschied durch die viel grössere ­öko­nomische Substanz des Männer­fussballs gerechtfertigt?
Ich kenne die Problematik des Gender Pay Gap, finde aber nicht, dass sie mich betrifft. Ich kann davon leben, kann viel reisen, Sprachen lernen, ich bin zufrieden. Und ehrlich: Die Löhne, die im Männerfussball gezahlt werden, gehen mir nicht in den Kopf. Ich frage mich, wann diese ewige Steigerung ein Ende hat.

In Norwegen werden Frauen und Männer für Länderspiele gleich bezahlt, in Dänemark haben die Frauen für eine bessere Bezahlung gestreikt. Wie ­stehen Sie zu solchen Anliegen?
Norwegen ist in dieser Hinsicht ein Vorbild. Es ist aber sehr schwierig, das nur auf den Fussball zu beziehen – da müssen wir grundsätzliche Debatten führen. In der Schweiz sind wir noch nicht so weit. Die Däninnen haben mit ihrem Anliegen meine volle Unterstützung. Wenn man, wie in ihrem Fall, Gelder nicht ausbezahlt bekommt, die vor ­einem Turnier vereinbart wurden, ist ein Streik sicher der nächste Schritt, den man gehen muss.

Die dänischen Männer haben zugunsten der Frauen auf ihre Boni verzichtet. ­Wünschen Sie sich das auch in der Schweiz?
Natürlich wären ein kleines Entgegenkommen und etwas mehr Solidarität schön. Ich wünsche mir aber keine Lohngleichheit im Fussball. Da muss man realistisch sein und sehen, dass die Einnahmen nur aus dem Männerfussball kommen. Aber die Männer würde es wenig schmerzen, etwas abzugeben. Sie verdienen in ihren Vereinen so viel, da spielt das Geld, das sie in der Nati bekommen, keine grosse Rolle.
Lia Wälti wurde 1993 in Langnau BE ge­boren. Nach Engagements beim FC Langnau, den YB-Frauen und Turbine Potsdam wechselte die defensive Mittelfeldspielerin im Sommer 2018 zu Arsenal London. Mit 18 debütierte ­Wälti im Nationalteam und bestritt seither 81 Länderspiele für die Schweiz.
Artikel ausdrucken
Verwandte Artikel

Frauen, die Geld bewegen

Nur wenigen Frauen gelingt es, die gläserne Decke in der Finanzwelt zu durchbrechen. Die Gründe dafür sind sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen zu suchen. Aber was zeichnet Frauen aus, die es geschafft haben?
13.03.2019 von Simone Hofer Frei

Wo Frauen im Zentrum stehen

Von der basisdemokratischen Autonomie zur AG: Das Frauenzentrum Zürich hat eine lange und bewegte ­Geschichte hinter sich. Heute beheimatet das ­Zentrum in ­Zürich Wiedikon einen vielfältigen Mix aus Unternehmen, Projekten und Veranstaltungen.
13.03.2019 von Miriam Suter