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29.09.2025 von Stefan Boss

Die Schweiz spricht von Trockenheit, die EU von Dürre

Seit Mai dieses Jahres hat die Schweiz einen Trockenheitsmonitor. Weshalb braucht es ein solches Frühwarnsystem? Wer leidet hierzulande unter der Trockenheit? Und was beinhaltet der Monitor? Neun Fragen und Antworten zu Sinn und Zweck dieses Frühwarnsystems.

Artikel in Thema Wasser
Foto: Phimonwan's Images

1) Weshalb braucht die Schweiz einen Trockenheitsmonitor?

Mit dem Voranschreiten der globalen Klimaerhitzung kommt es auch im «Wasserschloss» Schweiz zu längeren Trockenheitsperioden. Die Wetterextreme nehmen zu, einerseits längere sehr trockene Phasen, andererseits mehr Starkniederschläge. Solche Extremereignisse sind schon in den letzten Jahren häufiger aufgetreten und werden künftig noch zunehmen.

2) Wer leidet unter der Trockenheit in der Schweiz?

Die Landwirtschaft, weil Trockenheit zu Ernteeinbussen führt. Auch wird die Energieversorgung beeinträchtig, wenn etwa Flusskraftwerke weniger Strom produzieren. Niedrige Pegelstände im Rhein beeinträchtigen die Schifffahrt. Nicht zuletzt sind Trockenperioden für die Ökologie problematisch und schaden der Biodiversität.

3) Was beinhaltet der neue Monitor

Auf einer wöchentlich aktualisierten Karte wird dargestellt, wie trocken es in den verschiedenen Regionen der Schweiz ist. Die Skala reicht von Stufe 1 (nicht trocken) bis Stufe 5 (extrem trocken). Grundlage für die Berechnungen sind hydrologische und meteorologische Daten sowie Satellitenbilder. Entwickelt wurde das Frühwarnsystem von den Bundesämtern für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) und für Landestopographie. Zudem werden jeweils Prognosen für die nächsten vier Wochen abgegeben.

4) Warum sprechen Deutschland und die EU von Dürre und die Schweiz von Trockenheit?

Ist das Problem hierzulande weniger schlimm – oder wird es verharmlost? In Deutschland gibt es ein ähnliches Frühwarnsystem wie in der Schweiz, es nennt sich Dürremonitor. Fabia Hüsler, Leiterin des Programms Trockenheit beim Bundesamt für Umwelt (BAFU), schreibt auf Anfrage von moneta: «Dürre klingt im Deutschen emotional aufgeladen und erinnert an Katastrophen im globalen Süden (…).» In der Schweiz gebe es zwar «zunehmende Trockenperioden, aber keine flächendeckenden mehrjährigen Katastrophenlagen». Der Begriff Trockenheit werde dem Phänomen in der Schweiz deshalb besser gerecht. 

5) Wie gross sind Schäden, die durch Trockenheit in der Schweiz schon angerichtet wurden? 

Schätzungen gehen gemäss BAFU davon aus, dass der Hitzesommer 2003 allein in der Landwirtschaft Schäden von 500 Millionen Franken verursachte. Laut BAFU veranschlagt der Bund die gesamten Schäden von Trockenheit innerhalb der nächsten 50 Jahre ungefähr auf 8 Milliarden Franken.

6) Gibt es bei uns Trockenheit nur im Sommer?

Nein, das Problem tritt in allen Jahreszeiten auf. Trockenheit bedeutet laut Fabia Hüsler vom BAFU, dass in einem Gebiet über einen längeren Zeitraum nicht genug Wasser zur Verfügung steht. «Trockenheit ist ein Phänomen, das sich langsam aufbaut (über Wochen), aber enorme Auswirkungen hat», erklärt sie.

7) Welche Massnahmen gibt es bei der Bekämpfung von Trockenheit?  

In der Schweiz sind primär die Kantone für entsprechende Massnahmen zuständig. Dazu gehören laut Fabia Hüsler beispielsweise Überwachung, Koordination der Wassernutzung und Krisenmanagement während einer Trockenheit. Aufgabe des Bundes sei es, geeignete Grundlagen dafür zur Verfügung zu stellen. Eines davon ist der neue Trockenheitsmonitor.

8) Wie geht es nun weiter?

Der Monitor soll weiterentwickelt werden. Ab 2026 will der Bund Messdaten zur Bodenfeuchtigkeit und zu den Gewässertemperaturen einbinden.  

9) Gibt es auch Massnahmen, um die Auswirkungen der Trockenheit auf die Ökologie abzumildern?

Laut der Gewässerschutzorganisation Aqua Viva  sind in der Schweiz rund 15'000 Kilometer Flüsse und Bäche begradigt und verbaut. Deshalb fliesst das Wasser rasch ab. Wenn Gewässer renaturiert werden, entstehen natürliche Rückhalteräume und das Wasser versickert besser im Boden. Mehr Raum für Flüsse und die Wiederanbindung von Auen seien deshalb ein Beitrag, um die «Resilienz ganzer Regionen gegenüber der Klimakrise zu stärken», schreibt die NGO.

Weitere Quellen: BAFU , «Die Grüne»
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