Abschied vom Wachstum

Wie gelingt der Wandel hin zu einem umweltverträglichen Wirtschaftssystem?

Illustrationen: Claudine Etter

Moneta # 3 2022
Editorial

Wie geht es ohne Wachstum?

Grenzenloses Wachstum ist in einer begrenzten Welt nicht möglich. Der Satz beschäftigt mich, seit ich ihn zum ersten Mal gehört habe. Er benennt klar eine Wahrheit, die offenbar schwer zu akzeptieren ist. Ewiges Wirtschaftswachstum, eine gren­zenlose Ausweitung der produzierten Güter und Dienstleistungen, ist nicht möglich, weil die dafür nötigen Ressourcen Boden, Wasser, Öl, Gas, Holz, Metalle, Sand und weitere Rohstoffe, aus denen wir unsere Waren herstellen und die letztlich auch die Basis von Dienstleistungen bilden, begrenzt sind. Der Bericht «Grenzen des Wachstums» des Club of Rome machte zwar 1972 einer weltweiten Öffentlichkeit bewusst, wie katastrophal die langfristigen Folgen eines ungebremsten Wachstums für Mensch und Umwelt sein würden. Doch an der wirtschaftspolitischen Prämisse, dass ein stetiges Wachstum des Bruttoinlandprodukts nötig sei, änderte sich nichts. Nach wie vor ist es ein erklärtes Ziel fast aller Länder (auch der reichsten wie der Schweiz), dass ihre Volkswirtschaft weiterwachsen soll.
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In den letzten Jahren formierten sich in mehreren Ländern Postwachstumsbewegungen. Sie stützen sich auf eine zunehmende Zahl wissenschaftlicher Studien, die zerstörerische Wachstumsfolgen aufzeigen, und fordern eine Wirtschaft, die nicht mehr wächst und in der ressourcenintensive Branchen schrumpfen. Politisches Gehör fanden sie bislang kaum. Doch heute, nach dem Hitze- und Dürre­sommer 2022, und in einer Welt, in der wegen der Pandemie und des russischen Angriffskriegs in der Ukraine die Verteilung von Rohstoffen und Produkten nicht mehr richtig funktioniert, ist offensichtlich, dass lebensnotwendige Ressourcen wie Wasser, Strom oder Gas plötzlich knapp werden können. Auch in reichen Ländern werden nun Verteilungsfragen akut: Wer darf wie viel Energie verbrauchen, wer muss sparen? Das führt fast automatisch zur Frage: Können wir anders wirtschaften und weniger Rohstoffe brauchen? Geht es auch ohne Wachstum? Wie können wir Sozialwerke und alle anderen staatlichen Aufgaben ohne Wirtschaftswachstum finanzieren? Wie erreichen wir eine nachhaltige und gerechte Postwachstumsökonomie?
Schwierige und drängende Fragen. Die Diskussion muss jetzt von allen und mit allen geführt werden. Ich hoffe, Sie finden in dieser moneta einige inspirierende Gedanken dazu.

Katharina Wehrli,
Redaktionsleiterin
Artikel zum Thema

«Kapitalismus stellt kein Gleichgewicht her»

Tim Jackson schrieb 2009 den Bericht «Wohlstand ohne Wachstum». Das Buch fand international grosse Beachtung und gilt heute als Standardwerk der Postwachstumsökonomie. In seinem neusten Buch betrachtet er Postwachstumsthemen aus einer philosophischen Perspektive.

14.09.2022 von Katharina Wehrli

Arbeitsplätze und Einkommen nachhaltig sichern

Wie können wir Arbeit so gestalten, dass die planetaren Belastungsgrenzen nicht überschritten werden? Ein Ansatz ist das Einkommen für den ökologischen Wandel, das derzeit in Frankreich und der Schweiz getestet wird.

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Politische Strategien gegen die planetare Zerstörung

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Geld schöpfen innerhalb der Grenzen unseres Planeten

Das jetzige Geldsystem ermöglicht Wirtschaftswachstum, ohne soziale und ökologische Kosten zu berücksichtigen. Ökonom Christian Arnsperger schlägt deshalb vor: Tauschen sollten wir nicht Franken, sondern Bruchteile eines ökologischen Fussabdrucks.

14.09.2022 von Christian Arnsperger

«Postwachstum muss ja nicht Antiwachstum heissen»

Man trifft Livia Matthäus, Mitgründerin und Co-Projektleiterin der Gemüsekooperative Plankton, auf dem Gemüsefeld am Stadtrand, zwischen Basel und Riehen. Was über viele Jahre ­einfach eine Wiese war, verwandelt sich in ein grosses Gemüsebeet, in solidarischer Landwirtschaft.

14.09.2022 von Roland Fischer

«Das System hält uns in der Wachstumsabhängigkeit gefangen»

Wirtschaft und Gesellschaft sind herausgefordert, sich vom ständigen Wirtschaftswachstum zu verabschieden. Warum ist das so schwierig? Ein Interview mit der Ökonomin und führenden Postwachstumsforscherin Irmi Seidl.

14.09.2022 von Esther Banz
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Bombe im Taschenbuchformat

Vor 50 Jahren publizierte der Club of Rome «Die Grenzen des Wachstums». Die eher trockene Abhandlung hat sich seither millionenfach verkauft und etliche Neuauflagen erhalten. Warum eigentlich? Ein Blick auf die erstaunliche Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Buchs.

14.09.2022 von Roland Fischer
Artikel nur online

Alles wächst – bis zu einem bestimmten Punkt

In der westlichen Kulturtradition ist Wachstum (fast) immer positiv besetzt. Und das Gegenteil von Wachstum können wir uns eigentlich nur als Katastrophe vorstellen. Diese Grunderzählungen müssen wir dringend hinter uns lassen, um die Angst vor dem Nicht-Wachstum zu verlieren.

14.09.2022 von Roland Fischer

Ein Green Deal für die Erde – sozialverträglich

In seinem neuen Bericht fordert der Club of Rome die Industriestaaten zu riesigen Investitionen in erneuerbare Energien auf. Und er will den Kampf gegen die Klimakrise mit dem Kampf gegen die Armut verbinden.

14.09.2022 von Stefan Boss
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«Alles andere ist eine Frage des Gleichgewichts»


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Die Alternative Bank Schweiz setzt sich für eine Postwachstumswirtschaft ein. Sie ist selbst aber kein ­Postwachstumsunternehmen. Für Etienne Bonvin ist das nicht zwingend ein Widerspruch. Er wirkt seit 25 Jahren bei der ABS mit, davon 20 Jahre als Mitglied der Geschäftsleitung.

14.09.2022 von Simon Rindlisbacher

Serbeco entwirft eine Welt jenseits von Recycling


Beitrag der ABS

Ursprünglich war das Genfer Familienunternehmen Serbeco auf die Abfallentsorgung spezialisiert. Inzwischen hat es seinen Tätigkeitsbereich erweitert. Es zeigt neue Möglichkeiten auf, wie man Ressourcen und damit die Umwelt schonen kann.

14.09.2022 von Sylvie Ulmann

Wir brauchen ein nachhaltiges Netto-Null


Beitrag der ABS

Es ist ein bitterer Rückschlag: Im Juli 2022 machte das Europäische ­Parlament den Weg dafür frei, Atomenergie und Erdgas in die EU-Taxonomie als klimafreundliche Energien aufzunehmen. Die ABS bedauert diesen Schritt und hält an ihrer Vision von einem nachhaltigen Netto-Null fest.

14.09.2022 von Katrin Wohlwend

Das Stromnetz zum Atmen bringen


Beitrag der ABS

Solar- und Wind­energie haben einen be­kannten Haken: Sie sind wetterabhängig und damit im Vergleich zu den zentralen grossen Kraftwerken un­­zuverlässig. Dies birgt grosse Herausforder­ungen für die Netzstabilität und letztlich auch für die Versorgungssicherheit.

14.09.2022 von Team Kommunikation ABS